Er gehört zu einem Menschen, der bei einer Demonstration in Santiago de Chile schwer verletzt wurde. Seit Oktober 2019 protestieren dort auf dem „Platz der Würde“ Menschen gegen ungerechte Verhältnisse. Auf dem „Platz der Würde“ hat die Künstlerin Lilian Moreno Sanchez Staub gesammelt und in den Stoff des Hungertuchs gerieben. Dieser Stoff ist Bettwäsche aus einem Krankenhaus und aus einem Frauenkloster. Klinik und Kloster, da wird deutlich: Kranksein und Gesundwerden betrifft den ganzen Menschen mit Leib und Seele. Der Stoff hat Flecken und Falten. Er ist übereinandergelegt, auseinanderklaffend wie verletzte Haut, mit goldenem Zickzack wieder zusammengenäht. Heilung ist möglich.   Kaum Farbe, schwarze Linien, Zeichen-Kohle, Staub, Leinöl, eine karge Bildsprache. Sie verweist auf das Leiden von Jesus Christus und auf das Leiden der Menschen. Die Corona-Pandemie fordert Opfer in Chile, in Deutschland, überall auf der Welt. Doch es gibt Hoffnung. Auf dem Hungertuch sehen wir Blumen aus Blattgold. Sie greifen das Muster der Kloster-Bettwäsche auf. Leben erblüht neu. Die schwarzen Linien vermitteln auch ein Gefühl der Leichtigkeit. Sie scheinen zu tanzen.   Du stellst meine Füße auf weiten Raum. Der Psalm 31 wurde vor 2500 Jahren zum ersten Mal gesungen. Vermutlich in der Zeit des babylonischen Exils. Die Israeliten leiden. Sie sind gefangen in einem fremden Land, unterdrückt, einsam, verzweifelt. Doch sie haben auch Hoffnung. Gott wird die Not wenden - zum Guten. Du stellst meine Füße auf weiten Raum.   Jesus hat seinen Jüngern die Füße gewaschen. Er hat sie berührt am letzten Abend. Er zeigt damit: Er ist seinen Jüngern nahe. Jeder Mensch ist kostbar, einzigartig. Pflegerinnen und Pfleger, Ärzte und Ärztinnen heute, sie waschen ihren Patientinnen und Patienten die Füße, im übertragenen Sinne und ganz real. Sie lassen sich anrühren von der Not der Kranken. Jesus sagt: Ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit auch ihr so handelt, wie ich an euch gehandelt habe.

Pfarrer Dr. Bernhard Lackner