Viele Kinder sind betroffen, statistisch gesehen in jeder Schulklasse ein Kind oder zwei. Die meisten dieser Verbrechen freilich ereignen sich im familiären Umkreis. Täter und Täterinnen sind Eltern, Stiefeltern, nahe Verwandte, Freunde der Familie. Die wenigsten dieser Fälle werden angezeigt. Das ist verständlich. Wer mit Schrecken feststellt, mein Kind ist betroffen, Täter ist der Vater des Kindes, der Stiefvater, der neue Freund, wer wird da die Polizei einschalten? Besonders schlimm: Die Kinder leiden oft ein Leben lang. Ihre Wunden heilen nicht, vor allem die Wunden in der Seele. Kinder werden misshandelt und missbraucht. Das gibt es und das gab es leider schon immer. Neu freilich ist: Jetzt wird offen darüber gesprochen, informiert. Hier wandelt sich unsere Gesellschaft. Eine wichtige Aufgabe haben dabei die Medien. Sie bringen die Fakten ans Tageslicht. Sie kommentieren das Unfassbare und helfen uns so, uns eine eigene Meinung zu bilden. Ich bin dankbar dafür, dass ich in einem Land leben darf, in dem jeder seine Meinung frei sagen darf. Meinungsfreiheit und Pressefreiheit sind Grundrechte. Unsere Gesellschaft wandelt sich im positiven Sinne. Und die Kirche? Sie wandelt sich ebenfalls. Auch in der Kirche wurde und wird Kindern Gewalt angetan. Viele dieser Verbrechen wurden vertuscht. Die Täter geschützt, nicht wirklich bestraft. Damit ist die Gefahr nicht aus der Welt geschafft. Im Gegenteil. Die Täter wurden oft nur an eine andere Stelle versetzt. Dafür wird die Kirche scharf kritisiert, schärfer als alle anderen Institutionen, mit Recht. Denn wir stehen für hohe moralische Wertvorstellungen. Die formulieren wir für andere und für uns selbst. Eltern vertrauen uns ihre Kinder an. Sie tun es immer noch. An kirchlichen Schulen und Internaten sind die Anmeldezahlen nach wie vor hoch. Die Kirche lernt. Wir versuchen, alles zu tun, dass Kinder und Jugendliche geschützt sind. Wir versuchen, den Opfern zu helfen, so gut es geht. Heute am Karfreitag schauen wir auf die Kinder und Jugendlichen, denen Gewalt angetan wurde und wird. Gott schaut auf sie. Jesus schaut auf sie. Jesus, er wurde unschuldig angeklagt, zum Tod verurteilt, grausam gequält, gedemütigt, ermordet. Er starb unter größten Schmerzen am Kreuz. Jesus am Kreuz, er sagt uns: Gott ist bei den Opfern jeglicher Gewalt. Jesus zeigt uns: Gott ist nicht nur der Schöpfer der Welt, der Allmächtige, der Herr des Himmels und der Erde. Nein, er ist auch der Ohnmächtige, der Wehrlose. Er ist bei den Leidenden, ihnen ganz nahe. Das Bild, das wir von Gott haben, es hat sich gewandelt, in Jesus. Unsere Gesellschaft, sie wandelt sich. Unsere Kirche, sie wandelt sich, hoffentlich zum Guten.

Pfarrer Dr. Bernhard Lackner