Er findet es, nimmt es voll Freude auf seine Schultern und trägt es nach Hause zurück. So wie der Hirte sich freut, unbändig, so freut sich Gott über einen einzigen Sünder, der umkehrt. Über ihn freut sich Gott mehr als über 99 Gerechte, die keine Umkehr nötig haben. Mit dieser Geschichte rechtfertigt sich Jesus gegenüber seinen Feinden, gegenüber den Pharisäern und Schriftgelehrten. Sie sind empört über Jesus, weil der sich mit Zöllnern und Sünder an einen Tisch setzt und sogar mit ihnen isst. Das gehört sich nicht, meinen die Frommen. Das gehört sich nicht, sich mit Zöllnern einlassen. Zöllner, die arbeiten für die Römer, für die Besatzungsmacht. Zöllner, sie kassieren die Steuern. Sie treiben den Zoll ein. Sie beuten ihre Landsleute aus, gnadenlos. Sünder, die halten sich nicht an Gottes Gesetze. Von solchen Leuten hält man sich fern. Von solchen Leuten hält Gott sich fern, meinen die Schriftgelehrten und die Pharisäer. Jesus freilich meint das nicht. Ganz im Gegenteil. Er wendet sich den Menschen zu, die am Rand der Gesellschaft leben. Gott wendet sich den Menschen zu, die an den Rand gedrängt sind. Gott freut sich riesig, wenn einer von ihnen wieder auf den rechten Weg findet. Das verlorene Schaf, ihm geht der Gute Hirte nach. Er findet es. Er trägt es auf seinen Schultern voller Freude. Dieses Gleichnis vom verlorenen Schaf passt wunderbar ins Lukasevangelium. Jeder Evangelist hat ja seine ganz eigene Sicht auf Jesus. Für Lukas ist Jesus einer, der vor allem auf die Menschen schaut, die am Rande leben: auf die Armen, die Kranken, die Zöllner, die Ausländer, die Sünder, die Frauen. Ihnen ist Jesus ganz nahe. Ihnen ist Gott ganz nahe, sagt Lukas. Für ihn ist Jesus der Heiland der Kranken, der Freunde der Zöllner und der Sünder. Das ist schon ganz am Anfang so. Jesus wird geboren. Wo?Nicht in einem Palast. Nicht in einem vornehmen Haus. Nein. Er wird neugeboren in eine Futterkrippe gelegt. Die steht vermutlich in einem Stall, weil in der Herberge kein Platz war für Jesus, Maria und Josef. Die ersten, die das Jesuskind besuchen, sind keine Könige, keine Gelehrten, kein Priester, sondern Hirten. Ganz einfache Leute. Sie leben draußen vor der Stadt auf freiem Feld am Rand der Zivilisation. Jesus ist bei den kleinen Leuten. Er ist der Heiland der Kranken, der Freunde der Zöllner nd der Sünder bis zuletzt. In der letzten Stunde am Kreuz zwischen zwei Verbrechern, da sagt er zu dem einen an seiner Seite: Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein. Noch in der letzten Stunde ist Jesus für den anderen da. Der Gute Hirte geht dem Verlorenen nach, sucht es, bringt es zurück zur Herde voller Freude. Der Gute Hirte und das verlorene Schaf - auf unserem Kirchplatz, dem Bischof-Sproll-Platz, da stehen sie in Stein gehauen. Sie erinnern uns an unseren Auftrag: dem Verlorenen nachgehen, suchen, finden, helfen. Das macht Freude. Wer hilft, wer anderen Gutes tut, der stellt fest: Das tut nicht nur dem anderen gut, sondern auch mir selbst. Helfen macht Freude. Dem Verlorenen nachgehen, suchen, finden, helfen. Das macht Hoffnung. Denn es könnte ja sein, dass wir selbst einmal Hilfe brauchen, vom Weg abkommen. So wie das verlorene Schaf. Es könnte sein, dass wir selbst uns verlaufen, die Orientierung verlieren. Dann sucht uns einer. Er findet uns. Er trägt uns voller Freude. Der Herr ist mein Hirte, nichts wird mir fehlen. Ich bin der Gute Hirte, gekommen, damit Menschen gut leben können. Gott freut sich riesig über den einen Verlorenen, der umkehrt, mehr als über die 99 Gerechten, die keine Umkehr nötig haben.

Pfr. Dr. Bernhard Lackner