Am 12. Juni 2022

LESUNG: Spr 8, 22–31

ukraine sw

Wir glauben an Gott. Wir glauben, dass er zu uns spricht in seinem Sohn Jesus Christus, verlässlich und endgültig. Wenn wir wissen wollen, wer Gott ist und was er sagt und tut, dann schauen wir auf Jesus Christus. Seine Freunde, seine Jünger damals haben ihn erlebt. Sie haben gehört und gesehen, was er gesagt und getan hat. Sie haben seine Botschaft und sein Beispiel in sich aufgenommen.

Die christliche Botschaft ist einer Gemeinschaft von Menschen anvertraut, der Gemeinschaft der Christen, der Kirche. Innerhalb der Kirche kennen wir fünf Orte, an denen wir die Glaubenswahrheit finden. Der erste Fundort ist die Bibel. Der zweite ist die Tradition der Kirche. Der dritte Fundort für die Glaubenswahrheit ist die Theologie. Der vierte Fundort ist der Glaubenssinn der Gläubigen; alle Christen haben ein intuitives Gespür dafür, was zum christlichen Glauben gehört und was nicht. Der fünfte Fundort ist das kirchliche Lehramt; es wird ausgeübt von den Bischöfen mit dem Bischof von Rom an ihrer Spitze. Ausführlicher spreche ich heute über den dritten Fundort christlicher Wahrheit: die Theologie. Sie ist die Wissenschaft, die versucht, die Inhalte des Glaubens mit der Vernunft zu durchdringen. Sie ist Glaube, der Einsicht sucht. Fides quaerens intellectum. Sie arbeitet mit der Vernunft, rational. Sie ist kritisch. Theologen stellen in Frage. Sie fragen nach: War das wirklich so? Was ist tatsächlich geschehen? Ist das wahr? Theologie ist diskursiv. Das heißt: Theologen reden miteinander. Sie diskutieren. Sie streiten. Sie ringen um die Wahrheit. Wenn vier Theologen diskutieren, dann sind mindestens fünf Meinungen im Spiel. Theologie ist argumentativ. Argumente werden genannt. Sie werden abgewogen. Wer die besseren Argumente hat, gewinnt. Die Theologie arbeitet mit anderen Wissenschaften eng zusammen. Mit den Sprachwissenschaften. Die Sprache des Alten Testaments ist das Hebräische. Die Sprache des Neuen Testaments ist das Griechische. Viele Texte der Kirche und der Theologen sind in Latein verfasst. Unverzichtbar für die Theologie sind die Geschichtswissenschaft und die Archäologie. Bei einer Ausgrabung im Heiligen Land wird ein Stein gefunden mit der Inschrift „Pontius Pilatus“. Also hat es ihn tatsächlich gegeben, diesen Statthalter, der Jesus zum Tod verurteilt hat. Einen Stein mit dem Namen des Königs David suchen die Archäologen verzweifelt, aber bisher vergeblich. Auch in den Schriften der Ägypter, der Assyrer und der Babylonier wird er nirgends erwähnt, nur in der Bibel. Hat es ihn überhaupt gegeben, den mächtigen König David? Oder ist seine Geschichte ein Mythos, eine Sage? Eine wichtige Hilfe für die Theologie ist die Philosophie. Gibt es so etwas wie Wahrheit überhaupt? Kann man eine Meinung, eine Hypothese als wahr beweisen? Der kritische Rationalismus, Grundlage der modernen Naturwissenschaften, sagt: Nein, man kann eine Theorie nicht beweisen. Sie gilt nur so lange, bis sie durch neue Forschungen und neue Fakten widerlegt ist. Wichtig für die Theologie sind die Naturwissenschaften, die Physik, die Chemie und ihre technischen Anwendungen. Unverzichtbar sind die Gesellschaftswissenschaften, die Psychologie, die Soziologie, die Pädagogik, besonders, wenn Theologie praktisch umgesetzt werden soll, in der Predigt, im Religionsunterricht, in der Seelsorge, im Leben der Kirche. Der dritte Fundort christlicher Wahrheit ist die Theologie. Es folgt der vierte Fundort, der Glaubenssinn der Gläubigen. Davon wird demnächst die Rede sein.

Pfarrer Dr. Bernhard Lackner