am 28. Januar 2018

Predigt am 4. Sonntag im Lesejahr B

Evangelium: Psalm 137

 

In jedem Gottesdienst hören wir Texte aus der Heiligen Schrift: Lesung, Evangelium, Psalmen. Wenn wir die Bibel besser verstehen wollen, können wir fragen: In welcher Form ist der Bibeltext geschrieben, den wir gehört haben? Was ist seine literarische Gattung? Heute haben wir nach der Lesung einen Psalm gesungen. Wir haben den Psalm gesungen. Folglich ist dieser Text seiner Form nach ein Lied. Ganz einfach. 150 solcher Lieder finden sich in der Bibel. 150 Psalmen. 

Für heute habe ich Psalm 137 ausgewählt. „An den Strömen von Babel, da saßen wir und weinten, wenn wir an Zion dachten.“ Das ist kein einfacher Text. Er erzählt von der zweiten Katastrophe in der Geschichte Israels. Es war im Jahr 586 v. Chr. Die Babylonier waren damals eine militärische Großmacht im Orient. Sie eroberten Jerusalem. Die Stadt wurde niedergebrannt, der Tempel zerstört. Viele fanden den Tod. Wer überlebte, wurde weggeführt in die Gefangenschaft nach Babylon. Dort in Mesopotamien, im Land der zwei Ströme, am Euphrat und am Tigris, sitzen die Israeliten. Sie weinen, wenn sie an Zion denken. Ihre Heimat ist verloren, zerstört. Sie hängen ihre Harfen an den Bäumen auf. Sie singen keine Lieder mehr. Psalm 137 ist seiner Form nach ein Lied. Solche Lieder wurden gesungen. Damals in biblischer Zeit, beim Gottesdienst, im Tempel, in der Synagoge, und im privaten Gebet des frommen Israeliten, zu Hause. Da hatte der Psalm seinen Sitz im Leben. Im Psalm bringt der Beter sein Leben vor Gott: Was ihn freut, wofür er dankbar ist, was ihn traurig macht, was ihn ängstigt. Psalmen sind Lieder des Lebens, des Lebens mit allem, was dazu gehört. Auch wir singen im Gottesdienst Lieder, Psalmen. Seit vier Jahren haben wir ein neues Gesangbuch, das neue Gotteslob. Neue und alte Lieder sind darin enthalten. Sie verbinden uns miteinander. Sie verbinden uns mit den Christen überall in unserem Land. Sie verbinden uns mit den Gläubigen des Volkes Israel. Wir wollen die Bibel verstehen. Deshalb fragen wir: Welche Form hat der Bibeltext, den wir gerade hören, lesen oder singen. Psalmen sind Lieder. Sie werden gesungen zum Lob Gottes und zur Freude der Menschen, meistens jedenfalls.

Pfarrer Dr. Bernhard Lackner