am 06. Mai 2018
Predigt am 6. Sonntag der Osterzeit
Lesung: Weish. 8, 5-7
„Ich bin das Licht. Ich leucht euch für mit heilgem Tugendleben.“ So haben wir gesungen. „Ich leucht euch für mit heilgem Tugendleben.“ Tugend – dieses Wort gebrauchen wir in unserem Alltag vermutlich eher selten oder gar nicht. Doch die Sache, um die es geht, die kennen wir. Jeden Tag treffen wir Entscheidungen. Heute haben wir uns entschieden, dass wir zur Kirche gehen, zum Gottesdienst. War es eine bewusste Entscheidung oder kommen wir einfach ohne Nachzudenken, aus Gewohnheit?
Was oder wer bestimmt, was wir tun oder lassen? Wir sind in unserem Lebensstil geprägt durch Grundhaltungen, Tugenden. Tugenden sind Haltungen, die uns helfen, gut zu leben. Wir kennen vier Kardinaltugenden. Kardinaltugend, da denken wir vielleicht an die Kardinäle der Kirche. Doch das Wort Kardinaltugend kommt nicht von geistlichen Würdenträgern. Es kommt vom lateinischen Wort „cardo“, was so viel heißt wie „Türangel, Dreh- und Angelpunkt“. Die Kardinaltugenden öffnen uns gleichsam die Tür zum Leben. Wir kennen vier Kardinaltugenden. Diese sind: Die Klugheit, die Gerechtigkeit, die Tapferkeit, das rechte Maß. Wir finden sie in der Bibel, im Buch der Weisheit. Wir finden sie in der Philosophie bei Platon, bei Aristoteles, bei den Kirchenvätern, im Mittelalter bei Thomas von Aquin, bei Immanuel Kant und auch bei Denkern unserer Zeit. Heute schauen wir uns die erste Kardinaltugend an, die Klugheit. Wir Menschen können denken. Wir können auch komplizierte Zusammenhänge erfassen mit unserem Verstand. Wenn Probleme auftauchen, können wir sie lösen. Wir können unser Wissen anwenden, um gut zu handeln. Wie geht das? Wir schauen auf unser Leben, auf unsere Mitmenschen, auf die Welt um uns herum. Da müssen wir immer wieder entscheiden: Soll ich das tun oder lasse ich es lieber bleiben? Probleme können auftauchen. Wie können wir sie lösen? Ein erster Schritt: Wir informieren uns. Es gibt unzählige Möglichkeiten, Informationen zu bekommen. Ich selbst schaue meist im Internet nach. Unglaublich, was man da alles erfahren kann. Es folgt der zweite Schritt: Wir denken nach, gründlich, über die Informationen, die wir gesammelt haben. Woher kommen sie? Sind sie zuverlässig? Die Argumente, die wir haben, wie gewichtig sind sie? Welches Argument ist stärker als das andere? Was sagt mir meine Erfahrung? Habe ich so etwas schon mal erlebt? Ein drittes Schritt: Wir reden mit anderen darüber. Was hältst du davon? Wie siehst du das? Sind wir uns einig? Muss ich meine Ansicht korrigieren? Finden wir eine gemeinsame Lösung? Klugheit – sie hilft uns, das Richtige zu erkennen und zu tun, ganz praktisch. Nachdenken, Sich-Informieren, Mit-Anderen-Reden – das kann anstrengend sein, so anstrengend, dass wir bisweilen die vermeintlich einfache Lösung suchen, einfach irgendetwas machen, spontan ohne Nachdenken. Die vermeintlich einfache Lösung, sie ist oft keine Lösung. Nachdenken, Sich- Informieren, Mit-Anderen-Reden – das kann Zeit kosten, Zeit, die wir nicht haben. Manchmal müssen wir schnell handeln. Da hilft uns unsere Erfahrung, unsere Intuition, unser Gefühl. Für uns Christen kommt noch etwas dazu: Der Heilige Geist. Wir vertrauen darauf: Wenn wir eine Entscheidung treffen, dann hilft uns Gott. Er sendet uns seinen Heiligen Geist, wenn wir ihn darum bitten. Die Klugheit – sie ist die erste der vier Kardinaltugenden. Ihr folgen: Die Gerechtigkeit, die Tapferkeit, das rechte Maß. Vier Kardinaltugenden. „Ich bin das Licht. Ich leucht euch für mit heilgem Tugendleben.“ Sagt Jesus Christus im Kirchenlied, das wir gesungen haben. Er zeigt uns den Weg zu einem guten Leben. Er hilft uns, den Weg zu gehen. Er geht vor.
Pfarrer Dr. Bernhard Lackner