am 10. Mai 2018
Predigt am Pfingstmontag
Antwortgesang 461, 1-2
„Ich bin das Licht. Ich leucht euch für mit heilgem Tugendleben.“ So singen wir. Tugendleben, Tugend, so reden wir eher selten. Doch die Sache, um die es geht, die kennen wir. Wir sind in unserem Handeln geprägt durch Haltungen, Tugenden. Tugenden sind Haltungen. Sie helfen uns, gut zu leben. Wir kennen vier Kardinaltugenden. Kardinaltugend, das Wort kommt vom lateinischen Wort „cardo“. Das heißt übersetzt „Türangel, Dreh- und Angelpunkt“.
Die Kardinaltugenden öffnen uns die Tür zum Leben. Wir kennen vier Kardinaltugenden: Die Klugheit, die Gerechtigkeit, die Tapferkeit das rechte Maß. Wir finden sie in der Bibel und in der Philosophie. Heute schauen wir uns die vierte Kardinaltugend an, das rechte Maß. Maß halten, das heißt achtsam die Balance halten, die goldene Mitte finden, nicht zu viel, nicht zu wenig. Maß halten! Bei diesem Wort denke ich an den ersten Wirtschaftsminister der Bundesrepublik Deutschland: Ludwig Erhard. Damals, in den 1950er- und 1960er-Jahren, es war die Zeit des Wirtschaftswunders, goldene Zeiten. Nach der Katastrophe des Zweiten Weltkriegs, Zerstörung, Hunger, Tod, da ging es schnell wieder aufwärts mit Deutschland und seiner Wirtschaft. Alle hatten Arbeit. Es gab mehr als genug zu essen und zu trinken. Das erste eigene Auto wurde gekauft, ein VW Käfer. Mit dem fuhr man in den Urlaub, nach Italien, ans Meer. Wohlstand für alle, Wirtschaftswunder, dafür stand wie kein anderer Ludwig Erhard. Er war eine Persönlichkeit mit Gewicht, in jeder Hinsicht. Sein Markenzeichen war die Zigarre. Ausgerechnet er ermahnte jetzt die Deutschen, sie sollten Maß halten. Ein Zuviel ist nicht gut. Es ist nicht gut für den einzelnen. Es ist nicht gut für das Gemeinwesen. Wir fügen heute an: Ein Zuviel ist nicht gut für unsere Umwelt. Wir schauen auf unser Leben heute. Essen und Trinken, Einkaufen, Fernsehen, Computer, Telefon, Arbeiten, Sport, Auto fahren – unsere Gefahr ist nicht das Zuwenig, sondern eher das Zuviel. Wir wollen alles und zwar sofort. Warum? Soziologen sagen: Früher, vor 100 Jahren, da lebten die Menschen im Schnitt 30, 40 oder 50 Jahre. Danach kam das ewige Leben im Himmel und das dauerte ewig. Daraus folgt: Was man in diesem irdischen Leben nicht bekommt, das gibt es dann im ewigen Leben im Himmel. Heute ist das anders. Die Menschen leben 80 oder 90 Jahre auf dieser Erde. Danach kommt nichts mehr. Alles, was man erleben will, muss in dieses 80 oder 90 Jahren stattfinden. Das macht richtig Stress. Gegen diesen Stress hilft der Glaube. Gott wird dafür sorgen, dass wir nicht zu kurz kommen. Wie er das macht, das ist seine Sache. Gegen diesen Stress hilft das rechte Maß. Maßhalten, nicht zu viel, nicht zu wenig, die goldenen Mitte finden, das bewahrt vor Gier und Abhängigkeit, das schenkt innere Freiheit. Das rechte Maß ist die vierte Kardinaltugend, nach der Klugheit, der Gerechtigkeit und Tapferkeit. „Ich bin das Licht, Ich leuch‘ euch für, mit heilgem Tugendleben.“ Sagt Jesus. Er zeigt uns den Weg zu einem guten Leben. Und er hilft uns, den Weg zu gehen. Er geht vor.
Pf. Dr. Bernhard Lackner