am 11.06.2020
Evangelium: Mt 9, 36 - 10, 8
In jeder Messfeier hören wir Texte aus der Bibel. Wir wollen sie verstehen. Seit der Zeit der Kirchenväter in den ersten Jahrhunderten gibt es die Lehre vom vierfachen Schriftsinn. Wir können vier Fragen stellen. Die erste lautet: Was ist damals zur Zeit der Bibel tatsächlich geschehen? Im Evangelium lesen wir: Jesus hat zwölf seiner Jünger ausgesandt. Sie sollen den Menschen im Volk Israel sagen: Das Himmelreich ist nahe. Sie sollen Kranke heilen. Die Menschen damals sind wie Schafe, die keinen Hirten haben. Die Israeliten leiden unter der Besatzung durch die Römer. Sie haben niemanden, der wirklich für sie sorgt. Sie haben niemanden, der ihnen den Weg zeigt zu einem guten Leben. Sie haben niemanden, der vorangeht auf diesem Weg. Menschen wie Schafe, die keinen Hirten haben.
Es gibt sie auch heute. Zu Beginn der Corona-Pandemie haben sie sich in ihrer Angst hinter Bergen von Toilettenpapier verschanzt. Jetzt glauben sie an Verschwörungstheorien. Wer ist schuld an Corona? Wer will uns beherrschen oder gar vernichten? Wer steckt dahinter? Die Chinesen? Bill Gates?Oder vielleicht doch – der Vatikan? Daraus folgt die zweite Frage: Was sagt uns der Text über Jesus, über Gott und über unseren Glauben?Gott möchte, dass alle Menschen gut leben können in Gerechtigkeit und in Frieden. Gott beginnt jetzt schon, dieses neue gute Leben in der Welt zu etablieren. Jesus nennt dieses neue Leben Reich Gottes, Gottes Herrschaft oder bei Matthäus Himmelreich. Es beginnt schon hier und jetzt, überall, wo Jesus wirkt, überall, wo seine Jünger wirken in seinem Auftrag, in seinem Geist. Da berühren sich Himmel und Erde. Damit sind wir bei der dritten Frage: Was sollen wir tun? Wie die Apostel damals haben wir heute die Aufgabe, den Menschen zu sagen und zu zeigen: Das Reich Gottes, das Himmelreich, es ist da. Es hat schon begonnen. Wir Christen haben den Auftrag mitzuhelfen, dass die Menschen etwas erfahren von dem, was Gott uns schenken will: Gutes Leben in Gerechtigkeit und Frieden. Das gelingt uns manchmal mehr, manchmal weniger, manchmal gar nicht. Das Reich Gottes, sein neues Leben, es hat schon begonnen, aber noch nicht überall in dieser Welt, in unserer Welt. Gerade jetzt, in Zeiten von Corona, erfahren wir das an allen Ecken und Enden. Wir versuchen, unser Leben am Laufen zu halten. Wir versuchen, kirchliches Leben am Laufen zu halten. Wir versuchen, unseren Dienst an den Menschen zu tun. Wir tun, was wir können. Aber es reicht nicht aus. Grenzen sind uns gesetzt von der Politik und im letzten vom Virus selbst. Deshalb die vierte und letzte Frage: Was dürfen wir hoffen? Vieles in unserer Welt ist nicht perfekt. Das Reich Gottes ist zwar schon angebrochen, aber es ist noch nicht vollendet hier bei uns. Doch wir haben Hoffnung. Am Ende wird alles gut.
Pfarrer Dr. Bernhard Lackner