am 28.06.2020
Evangelium: Mt 10,37-42
Seit drei Monaten müssen wir Abstand halten voneinander. Mindestens 1,5 Meter. Hier in der Kirche sogar 2 Meter. Nicht einmal die Hand dürfen wir einander geben zur Begrüßung. Das ist schon mehr als seltsam. Vor allem für Menschen, die alleine leben. Abstand halten 1,5 Meter. Von dieser Regel gibt es nur eine große Ausnahme. Das sind Menschen, die in häuslicher Gemeinschaft leben. Sie dürfen beieinander sein zu Hause, in der Öffentlichkeit, in der Kirche. Menschen, die in häuslicher Gemeinschaft leben. Dafür gibt es ein schönes deutsches Wort, das eigentlich ein lateinisches ist: Familie.
Gerade in diesen Zeiten wird uns erneut bewusst, wie wertvoll sie ist, wie kostbar, die Familie. Geborgenheit, Hilfe, Solidarität, Nähe, das erfahren Menschen, vor allem die Kinder, in ihrer Familie. Oder leider, oft genug, auch nicht. Familien können auseinanderbrechen. Gerade dann merken die Betroffenen, wie wertvoll das war, was da verloren gegangen ist. Familie ist wichtig. Heute. Noch wichtiger als heute war sie zu der Zeit, als Jesus lebte. Familie war damals lebenswichtig. Es gab ja keine andere Absicherung für den Einzelnen, wenn man krank wurde, wenn man einen Unfall hatte, wenn es keine Arbeit gab, im Alter. Da konnte nur die Familie helfen. Familie war wichtig auch für Jesus. Seine Eltern Maria und Josef. Seine Brüder und Schwestern. Hatte Jesus Geschwister oder waren es doch nur Cousins und Cousinen? Wir wissen es nicht. Familie ist wichtig auch für Jesus. Und doch sagt er: „Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich, ist meiner nicht wert, und wer Sohn oder Tochter mehr liebt als mich, ist meiner nicht wert. “ Wertet Jesus die Familie ab? Vielleicht ist es ja so, wie mit dem Kamel und dem Nadelöhr? „Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in das Reich Gottes gelangt.“ Wie ist das zu verstehen? Darüber zerbrechen sich die Gläubigen und die Theologen den Kopf seit 2000 Jahren. Vor allem die Reichen. Also wir. Genau das will Jesus: Dass wir uns den Kopf zerbrechen, nicht einschlafen, sondern über sein Wort nachdenken immer wieder. „Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich, ist meiner nicht wert, und wer Sohn oder Tochter mehr liebt als mich, ist meiner nicht wert.“ Familie ist wichtig. Überlebenswichtig. Die leibliche Familie und auch die geistliche Familie. Wir haben ja einen guten Vater im Himmel. Er schaut auf uns. Er sorgt für uns viel mehr, als es leibliche Eltern und leibliche Familie tun können. Er ist für uns da, selbst wenn die leiblichen Eltern und die Familie versagen. Er ist uns nahe. Er geht nicht auf Abstand zu uns, wenn andere uns auf Abstand halten. Das sagt uns Jesus. Für ihn ist Gott nicht zuerst der Allmächtige, der Schöpfer des Himmels und der Erde, der König der Welt. Nein. Für Jesus ist Gott vor allem Vater. „Abba“. Ein Wort aus dem Aramäischen, der Muttersprache von Jesus. „Abba“. Das klingt wie unser „Papa“. Da klingt Nähe an und Geborgenheit, aber auch Respekt. „Abba“. So redet der erwachsene Israelit seinen Vater an. Gott ist Vater. „Abba“. Wir sind seine Kinder, seine erwachsenen Söhne und Töchter, Schwestern und Brüder. Dieses Bild von Gott ist ein Bild aus der Welt der Familie. Familie ist wichtig. Wir erfahren Geborgenheit, Hilfe, Solidarität, Nähe in unserer leiblichen Familie und in der Familie des Glaubens.
Pfarrer Dr. Bernhard Lackner