Am 13. August 2023
EVANGELIUM: Mt 14, 22–33
Wir wollen das Evangelium verstehen. Was können wir tun? Die Theologen der ersten Jahrhunderte, die Kirchenväter, sie kennen die Lehre vom vierfachen Schriftsinn. Sie stellen vier Fragen. Die erste lautet: Was ist damals tatsächlich geschehen? Ist Jesus wirklich über das Wasser gegangen, wie wenn einer über eine Wiese geht? Das ist physikalisch unmöglich. Aber ist das, was für Menschen unmöglich ist, auch für Gott unmöglich?
Historisch sicher ist: Einige der Jünger von Jesus waren Fischer. Petrus. Jakobus. Johannes. Sie hatten Boote. Mit denen fuhren sie auf den See, um zu fischen. Jesus war gelegentlich an Bord. Er hat vom Boot aus gepredigt, den Menschen am Ufer. Der See Genezareth liegt im Norden von Israel, in Galiläa. In der Nähe sind Berge. In der Nähe ist Wüste. Da kann das Wetter schnell umschlagen. Ein Sturm kann aufziehen. Gegenwind. Hohe Wellen. Dann wird es auf dem See gefährlich. Lebensgefährlich. Es folgt die zweite Frage: Was sagt uns das Evangelium über Gott und über unseren Glauben? Die Jünger sitzen alle in einem Boot, im Gegenwind, den Wellen ausgeliefert. Jesus ist nicht mit an Bord, noch nicht. Doch dann kommt er ihnen zu Hilfe. Er rettet Petrus aus dem Wasser. Der Wind legt sich. Jetzt ist es den Jüngern klar, wer Jesus ist,s und sie sagen es ihm: Du bist Gottes Sohn. Auch wir sitzen alle in einem Boot. Keiner kann ganz für sich allein leben. Wir sind immer mit Menschen verbunden. Wir sind an Menschen gebunden in der Familie, bei der Arbeit, in der Kirche, in unserer Stadt, in unserem Land, in unserer Welt. Alle in einem Boot. Das kann gemütlich sein, wenn die Sonne scheint, wenn alle in einer Ulmer Schachtel sitzen, wenn sich alle gut verstehen, wenn sich alle einig sind. Es kann aber auch ungemütlich werden. Gegenwind. Sturm. Hohe Wellen. Gefahr. Ist Jesus mit an Bord? Kommt er uns zu Hilfe? Kann er uns retten oder sind wir mutterseelenallein auf hoher See, im Sturm? Wo ist Gott? Warum hilft er nicht? Gibt es ihn überhaupt? So fragen Menschen in Not. Wir kommen zur dritten Frage: Was können wir tun? Wir können vertrauen. Es gibt einen, der uns retten kann, auch wenn wir den Eindruck haben: Der ist nicht bei uns im Boot, der ist noch weit weg. Wir können vertrauen: Er kommt, uns zu retten. Der Herr rettet. Jahwe rettet. Das bedeutet der Name Jehoschua. Jesus. Warum lässt er seine Jünger alleine mit dem Boot losfahren? Warum begleitet er sie nicht von Anfang an? Er steigt auf einen Berg, um in der Einsamkeit zu beten. Das macht er immer so. Beten in der Nacht auf einem Berg in der Einsamkeit. Mit Gott, seinem Vater, sprechen. Die Verbindung mit ihm suchen. Erst dann geht er zu den Menschen. Er spricht mit ihnen. Er tut ihnen Gutes. Er rettet sie. Die Verbindung mit Gott befähigt ihn, Gutes zu tun. Die Verbindung mit Gott befähigt uns, Gutes zu tun. Fast täglich ertrinken Menschen im Mittelmeer. Sie fliehen aus ihrer Heimat vor Not und Krieg. Was können wir tun, damit sie gerettet werden? Dürfen wir sie einfach ihrem Schicksal überlassen? Dürfen wir zusehen, wie sie aus Todesgefahr gerettet einfach zurückgeschickt werden? Es bleibt die vierte und letzte Frage: Was dürfen wir hoffen? Was wird sein, ganz am Ende, nach all dem Gegenwind, nach all dem Sturm? Der Wind legt sich. Alle Gefahr ist überwunden. Jesus ist an Bord. Er ist Gottes Sohn. Alles wird gut.
Pfarrer Dr. Bernhard Lackner