Am 20. August 2023
LESUNG: Jes 56, 1.6–7
Ein junger Mann, 22 Jahre alt, tritt in ein Kloster ein. Das ist an sich nichts Besonderes. Außergewöhnlich ist: Er kommt nicht allein, er bringt 30 andere junge Leute mit. Er hat sie alle für das Leben als Mönch gewonnen. Unter den 30 sind vier leibliche Brüder von ihm. Der junge Mann ist der heilige Bernhard von Clairvaux. Er wird um das Jahr 1090 in Burgund geboren, in einer Adelsfamilie.
Aufgrund seiner Herkunft hätte er eine glänzende Karriere vor sich. Stattdessen geht er in das Kloster Cîteaux. Viele Klöster damals sind reich. Die Mönche leben in Saus und Braus. Nicht so in Cîteaux. Citeaux ist ein Reform-Kloster. Die Mönche dort wollen das Ordensleben erneuern. Zurück zu den Wurzeln. Das Leben in Cîteaux ist hart. Es wird viel gearbeitet, in der Landwirtschaft, im Wald. Die Zellen sind ungeheizt. Das Essen ist einfach, ohne Fleisch. Die Kirche, in der die Mönche beten, hat keinen Turm. Innen ist sie beinahe leer, nur mit einem einfachen Kreuz geschmückt. Die Zisterzienser-Mönche sagen: "Das Kreuz, an dem Christus für uns gestorben ist, war nicht aus Gold und Silber, sondern aus Holz." Drei Jahre verbringt Bernhard im Kloster. Dann wird er mit zwölf Mönchen ausgesandt, ein neues Kloster zu gründen, in einem abgelegenen, unfruchtbaren Tal. Nach wenigen Jahren hat sich dieses dunkle Tal in eine blühende Kulturlandschaft verwandelt. Clairvaux, helles Tal, heißt die erste Klostergründung des heiligen Bernhard. 68 weitere Neugründungen folgen. Was ist sein Geheimnis? Er ist ein außerordentlich guter Redner. Er kann Menschen begeistern. Wenn er in einer Stadt predigt, dann sperren die Eltern ihre Söhne ein. Sie haben Angst, sie könnten ihn hören und ihm ins Kloster folgen, was auch oft geschieht. Er besitzt eine tiefe, innere Beziehung zu Christus. Er sieht in Jesus vor allem den Menschen, der sich Gott ganz zur Verfügung stellt. In Christus teilt Gott das menschliche Leben mit uns, auch das Leiden und den Tod. Diese tiefe Verbindung mit Christus ist ein Grund dafür, dass Bernhard es nicht erträgt, als er erfährt: Jerusalem, die Heilige Stadt, ist von den Muslimen erobert worden. Die Heiden haben die heiligen Stätten besetzt. Die Christen sind vertrieben. Sie können die Orte, an denen Jesus gelebt hat, nicht mehr besuchen. Bernhard ruft zum Kreuzzug auf. Er setzt seine Fähigkeit, Menschen zu begeistern, ein. Er gewinnt die Könige von Frankreich und Deutschland für den Kreuzzug. Für uns heute ist das schwer nachvollziehbar. Es war eine andere Zeit. Für die Menschen damals war der Glaube und die ewige Seligkeit das Wichtigste. Dem wurde alles andere untergeordnet. Bernhard hat großen Einfluss auf Könige und Päpste. Er ist die bestimmende Persönlichkeit des Jahrhunderts. Am 20. August 1153 stirbt er in Clairvaux. Er wird heiliggesprochen und zum Kirchenlehrer ernannt. In der Kunst wird er dargestellt als Abt im Gewand der Zisterzienser, mit den Leidenswerkzeugen Jesu und mit einem Bienenkorb. "Was er sagt, ist wie Honig," sagen die Gläubigen. Sie nennen ihn "doctor mellifluus", den "honigfließenden Lehrer". Bald nach seinem Tod beginnt die Verehrung des Heiligen, auch in unserer Region. Auf der Schwäbischen Alb, an der Straße von Schwäbisch Gmünd nach Weißenstein, erhebt sich bei Weiler in den Bergen der Bernhardusberg, 774 m hoch. Bereits 1696 steht dort eine Kapelle. Seit 1727 wird an diesem Ort ein Gnadenbild des heiligen Bernhard verehrt. Es geschehen wunderbare Gebetserhörungen. Ein Kind wird von seiner körperlichen Behinderung geheilt. Ein stummer Bauernknecht beginnt am Bernhardusfest 1729 in der Wallfahrtskapelle zu sprechen. 35 Fälle von wunderbaren Heilungen werden in Protokollen festgehalten. Die große Zeit der Wallfahrt beginnt. In den Jahren 1730 bis 1733 wird eine Wallfahrtskirche gebaut. Menschen strömen mit ihren Nöten und Sorgen auf den Berg. Aber die kirchliche Obrigkeit steht dem Wallfahrtsbetrieb kritisch gegenüber. "Ob da alles mit rechten Dingen zugeht?" 1806 wird die Wallfahrtskirche geschlossen und abgerissen. Die Statue des Heiligen wird auf den Rechberg gebracht. Die Wallfahrt ist zu Ende. Einige Jahrzehnte später ergreift der Graf von Rechberg die Initiative. Er hat sechs Töchter, aber keinen Sohn. Der Erbe fehlt. In seiner Sorge macht er ein Gelöbnis. Er erbaut auf dem Bernhardus eine Kapelle. Jährlich am 20. August findet dort ein Festgottesdienst statt. Was geschieht? In den folgenden Jahren werden dem Grafen drei Söhne geboren. Die Wallfahrt lebt wieder auf. Seither strömen jedes Jahr die Gläubigen zum Bernhardusfest. Ein paar Mal war ich dabei. Auch an anderen Tagen gehe ich gerne auf den Berg. Meistens bin ich dann ganz allein. Auf dem Weg hinauf bete ich den Rosenkranz. Oben angekommen genieße ich die weite Aussicht über das Land und ich freue mich, in der Kapelle meinen Namenspatron zu treffen, den heiligen Bernhard von Clairvaux.
Pfarrer Dr. Bernhard Lackner