Am 10. November 2024

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Wir wollen das Evangelium verstehen, auch heute am Kirchweihfest. Die Kirchenväter, Theologen in den ersten Jahrhunderten, sie kennen die Lehre vom vierfachen Schriftsinn. Sie stellen vier Fragen und wir mit ihnen. Die erste lautet: Was ist tatsächlich geschehen, damals vor beinahe 2000 Jahren in Jerusalem, im Tempel? Dort sitzt Jesus. Er beobachtet die Leute. Reiche kommen und legen viel Geld in den Opferkasten.

Eine arme Witwe wirft nur zwei kleine Münzen hinein. Jesus belehrt seine Jünger: Nicht die Reichen spenden viel, sondern die arme Witwe. Die Reichen geben zwar große Geldbeträge. Die sind aber nur ein Bruchteil ihres Vermögens. Die Witwe gibt alles, was sie hat, zwei kleine Münzen. Nicht die Höhe des Spendenbetrags im absoluten Sinne zählt. Es zählt die Höhe der Spende in Relation zum Vermögen des Spenders, der Spenderin. Die Reichen spenden aus der Portokasse. Die arme Witwe dagegen gibt alles. Vor Gott zählt nicht der absolute Betrag, sondern der Betrag in Relation zum Besitz des Gebers, der Geberin. Jesus entwickelt hier eine neue Sichtweise, wenn es um das Spenden geht. Er formuliert hier so etwas wie eine Relativitätstheorie im Blick auf das Tempelopfer, im Blick auf das religiöse Sponsoring. Apropos Relativitätstheorie. Evangelische und katholische Kirchengemeinderäte aus Jungingen haben neulich gemeinsam das Einstein-Museum am Ulmer Weinhof besucht. Es lohnt sich. Albert Einstein, in Ulm geboren, jeder kennt ihn, weltweit. Seine Relativitätstheorie hat die Physik und die Naturwissenschaften auf den Kopf gestellt, eine völlig neue Sichtweise der Welt ermöglicht. Wir kommen zur zweiten Frage: Was sagt uns das Evangelium über unseren Glauben an Gott, an Jesus? Jesus ist im Tempel in Jerusalem. Dort gehört er hin. Wusstet ihr nicht, dass ich in dem sein muss, was meinem Vater gehört? Das sagt schon der Zwölfjährige seinen Eltern. Drei Tage hatte er sich von ihnen entfernt, ohne ihr Wissen, ohne ihre Erlaubnis. Sie suchen ihn verzweifelt. Im Tempel finden sie ihn. Er diskutiert dort mit den Theologen, kompetent, souverän. Kein Wunder, ist er doch der Sohn des himmlischen Vaters. Wenn wir wissen wollen, wer Gott ist, schauen wir auf Jesus, was er sagt, was er tut. Es folgt die dritte Frage: Was sollen wir tun, wenn es um das Spenden geht? Wir sollen großzügig sein, so wie die arme Witwe, nicht so wie die Reichen. Sie geben nur einen Bruchteil von dem, was sie haben, Portokasse. Was sollen wir noch tun? Wir sollen eine Spende nicht nur nach der Höhe des Geldbetrags bewerten, sondern die Spende in Relation zum Eigentum der Spenderin, des Spenders. Relativitätstheorie, eine neue Sichtweise, sie stellt alles auf den Kopf. Wir schließen mit der vierten Frage: Was dürfen wir hoffen? Was wird sein ganz am Ende, im Himmel, bei Gott? Da gibt es niemanden mehr, der Geld in einen Opferkasten legen muss. Da gibt es nur noch einen, der spendet: Gott. Er schenkt allen Leben, gutes Leben, ewiges Leben. Da gibt es keine Armut mehr. Alle sind reich. Gott nimmt uns auf in sein Reich. Darauf vertraut die arme Witwe im Evangelium schon in diesem Leben. Deshalb kann sie alles geben, ihren ganzen Lebensunterhalt. Sie vertraut auf Gott. Wir können dem Leben trauen, weil Gott es mit uns lebt.


Pfarrer Dr. Bernhard Lackner

Kehrvers zum Jahresthema 2024

Ich kann dem Leben trauen, weil Gott es mit mir lebt.
Dem Leben trau´n, weil Gott es mit uns lebt.

Vers zum Kirchweihfest

Gott baut sich seine Kirche, lebendig Stein auf Stein.
Wir danken ihm. Er lädt uns alle ein.

 Text des Kehrverses: nach Alfred Delp
Vers: Bernhard Lackner
Musik: Kurt Rommel Gotteslob Nr. 448

 Bildnachweise:

  • Himmelspforte - KI-generiert
  • Der zwölfjährige Jesus im Tempel  Melker Altar von Jörg Breu dem Älteren 1502
  • Das Scherflein der Witwe - Ignaz Dullinger 1836
  • Albert Einstein im Museum der Madame Tussauds - FLICKr CC BY-NC-SA 2.0