Am 29. Dezember 2024
Wir wollen das Evangelium verstehen, auch heute, am Fest der Heiligen Familie. Wir stellen vier Fragen. Die erste: Was ist tatsächlich geschehen, damals, so um das Jahr 12, in Jerusalem? Wenn wir die Geschichte verstehen wollen, können wir fragen: In welcher literarischen Form hat Lukas, der Evangelist, sie geschrieben? Die Geschichte ist kein Bericht, sondern eine Legende.
Das bedeutet: Die Personen in der Erzählung haben tatsächlich gelebt. Jesus und seine Eltern Maria und Josef. Die Handlung allerdings ist frei erfunden. Trotzdem ist die Geschichte wahr, nicht im historischen, sondern im theologischen Sinne. Natürlich darf jeder glauben: Alles hat sich genauso abgespielt, wie es erzählt wird. Denkbar ist: Jesus und seine Eltern pilgern von ihrer Heimatstadt Nazareth nach Jerusalem, um dort das jüdische Osterfest zu mitzufeiern, das Pessach-Fest, Pascha. Ein jüdischer Junge wird mit 13 Jahren in die Gemeinschaft der Erwachsenen aufgenommen – er darf zum ersten Mal im Gottesdienst in der Synagoge aus der hebräischen Bibel vorlesen. Damit ist er volles Mitglied der Gemeinde und ab sofort für sich selbst verantwortlich. Dieses Fest heißt Bar Mizwa, Sohn des Gesetzes. Der 12jährige Jesus im Tempel, er diskutiert mit den Gelehrten auf Augenhöhe. Alle staunen. Ist das nicht Bar Mizwa? Wir kommen zur zweiten Frage: Was sagt uns das Evangelium über unseren Glauben an Gott, an Jesus? Der 12jährige im Tempel, er diskutiert mit den Gelehrten auf Augenhöhe. Alle staunen. Jesus feiert sein Bar Mizwa nicht erst mit 13, sondern schon ein Jahr früher, mit zwölf, nicht in der Synagoge daheim in Nazareth, sondern im Tempel in Jerusalem. Er ist halt ein besonderes Kind. Seine Eltern suchen ihn verzweifelt, drei Tage lang. Er ist von ihnen abgehauen, ohne sie um Erlaubnis zu fragen. 12jährige tun so etwas. Die Eltern finden den Ausreißer. Sie machen ihm Vorwürfe. Er antwortet: Warum habt ihr mich gesucht? Wusstet ihr nicht, dass ich in dem sein muss, was meinem Vater gehört? 13jährige tun so etwas. Sie distanzieren sich von ihren Eltern. Sie gehen ihre eigenen Wege. Das nennt man Pubertät. Bei Jesus ist da noch mehr: Sein eigentlicher Vater ist nicht Josef, sondern Gott, im Himmel. Jesus ist der Sohn Gottes. Es folgt die dritte Frage: Was sollen wir tun? Wir dürfen dem Evangelium vertrauen und weiter denken. Eltern sorgen für ihre Kinder. Wenn die Kinder langsam erwachsen werden, dürfen die Eltern sie in ihr eigenes Leben entlassen, ihnen die Freiheit schenken, Schritt für Schritt. Sie werden das Kind verlieren und einen jungen Erwachsenen gewinnen, einen jungen Mann, eine junge Frau, die mit ihnen auf Augenhöhe diskutieren. Alle staunen. Der heilige Benedikt schreibt in seiner Regel für die Mönche: Wenn sie zur Beratung zusammenkommen, sollen sie auch auf den Jüngsten hören. Oft sagt Gott durch den Jüngsten, was er will, was richtig ist. Trauen wir den Jungen etwas zu! Denkt weiter und vertraut auf das Evangelium. Deshalb versuchen wir, junge Leute zu gewinnen für den neuen Kirchengemeinderat, den wir am 30. März wählen werden. Wir schließen mit der vierten Frage: Was dürfen wir hoffen? Was wird sein, ganz am Ende? Eltern machen sich keine Sorgen mehr um ihre Kinder. Alle haben das Ziel ihrer Pilgerfahrt erreicht, bei Gott im Himmel. Alle sind Söhne und Töchter des himmlischen Vaters. Ob das wirklich so eintritt, am Ende? Denkt weiter und vertraut auf das Evangelium.
Pfarrer Dr. Bernhard Lackner