4. Sonntag nach Ostern
Evangelium: Joh 10, 11-18
„Ich bin der gute Hirt.“ Das sagt Jesus im Johannesevangelium. Abgeleitet von ihm werden auch die Amtsträger der Kirche als Hirten bezeichnet, vor allem die Bischöfe, an ihrer Spitze der Papst. Das Bild vom Hirten und von der Herde – manchem erscheint dieses Bild verdächtig. Sind die einfachen Gläubigen Schafe? Dumme Schafe? Unselbständig, unmündig, hilflos? Brauchen sie eine starke Hand, die sie führt? Sonst laufen sie womöglich ins Verderben? Dumme Schafe und ein autoritärer Hirte – dieses Bild ist ein Zerrbild. In der Bibel ist davon nicht die Rede.
Das Bild vom Hirten kennen wir aus dem Alten Testament. Da erscheint Gott selbst als der Hirte. „Der Herr ist mein Hirte, nichts wird mir fehlen.“ Psalm 23. Auch die Könige Israels werden als Hirten ihres Volkes gesehen. Der Messias, von den Propheten vorhergesagt, wird als Hirte beschrieben: Er sammelt und führt die Herde mit sanfter Hand, nie mit Gewalt. Er sorgt für seine Schafe. Für jedes einzelne hat er Verständnis. Nie ist in der Bibel davon die Rede, dass die Schafe dumm wären, unselbständig, und deshalb eine starke Hand bräuchten.
Im Johannesevangelium offenbart sich Christus als der gute Hirt. Er ist bereit, sogar sein Leben zu geben für die Herde. Was Jesus, der gute Hirt, über sich sagt, das darf übertragen werden auf seine Nachfolger, die Hirten der Kirche. Ich meine hier nicht nur den Papst, die Bischöfe, die Pfarrer. Hirten in der Kirche, das sind alle Männer und Frauen, die das Amt der Leitung ausüben, hauptberuflich oder ehrenamtlich. Unsere neugewählten Kirchengemeinderäte zum Beispiel. Sie haben den Auftrag, gute Hirten zu sein, zu führen, zu beraten, zu entscheiden, über alle Angelegenheiten innerhalb der Kirchengemeinde.
Gute Hirten sein – wie geht das? Im Evangelium finden wir eine Antwort: Die Schafe hören auf die Stimme des Hirten. Sie kennen seine Stimme. Er ruft sie einzeln beim Namen. Es besteht ein enges, persönliches Verhältnis zwischen Hirt und Herde, ein Vertrauensverhältnis. Ein solches Vertrauensverhältnis wünsche ich mir. Hirten, hauptberufliche und ehrenamtliche, die die Menschen wahrnehmen und ernstnehmen, den Einzelnen in seiner Person und in seiner Geschichte. Ich wünsche mir Hirten, die vor allem die jungen Leute ansprechen. Frauen und Männer, die eine Atmosphäre schafft, in der junge Menschen das Evangelium entdecken.
Der Hirt führt die Schafe hinaus aus dem Stall auf die Weide. Er geht ihnen voran. Ein Bild der Leitung, der Führung. Ich wünsche mir Hirten, die die Kirche kraftvoll leiten und sie zusammenhalten. Frauen und Männer, denen die Einheit aller Christen wichtig ist, die Ökumene.
Ziel des Hirtendienstes ist: Die Schafe sollen das Leben haben und es in Fülle haben. Dem Leben dienen. Der gute Hirte ist achtsam und fürsorglich. Ich wünsche mir Hirten in der Kirche, die für das Leben eintreten, für die Würde und den Wert des Lebens, vom Anfang bis zum Ende. Ich wünsche mir Hirten, die unsere Familien wertschätzen. Unsere Gesellschaft braucht ein deutliches Signal: Kinder zu haben ist etwas Kostbares. In einer Familie zu leben, das ist etwas Wertvolles.
Jesus ist der gute Hirt – in seiner Nachfolge stehen der Papst, die Bischöfe, die Pfarrer und unzählige Frauen und Männer, ehrenamtliche und hauptberufliche, in der Kirche, berufen, Hirten zu sein, gute Hirten. Bitten wir Gott, dass er uns seinen Geist schenkt, damit wir Hirten sein können nach seinem Bild.