2. Sonntag in der Weihnachtszeit

Evangelium: Johannes 1,1-18

 

Gerechter Krieg?

Weihnachten gilt als Fest des Friedens. Umso schlimmer ist es, dass weltweit Menschen unter Gewalt und Krieg leiden. In Syrien, im Irak, in der Ukraine und an vielen anderen Orten. Da stellt sich die Frage: Wann ist es erlaubt oder gar geboten, in einen Konflikt militärisch einzugreifen? Was sagt die Kirche? Lehrt sie nicht den „gerechten Krieg"? Wir denken an die Kreuzzüge im Mittelalter, an fanatische Prediger, die zum Heiligen Krieg aufrufen und die Waffen segnen, auf beiden Seiten der Front, und wir sind empört: Nein, Krieg ist nie gerecht. Doch so einfach ist die Sache nicht.

Unter bestimmten Umständen ist es erlaubt, militärische Mittel einzusetzen. Wir setzen an beim christlichen Menschenbild. Gott hat jeden Menschen als sein Abbild erschaffen. Deshalb hat jeder Mensch Grundrechte, die unveräußerlich sind. Grundlegend ist das Recht auf Leben. Daraus resultiert das generelle Verbot, einen Menschen zu töten. "Du sollst nicht töten" - genauer "nicht morden", so sagt es das Fünfte Gebot im Dekalog. Ein allgemeines Tötungsverbot findet sich nahezu in allen Kulturen. Die Tötung eines unschuldigen Menschen ist immer ein schweres Übel, eine Handlung, die in sich schlecht ist. Sie ist nie erlaubt. Die Tötung eines unschuldigen Menschen - damit kommen wir zu den Ausnahmen vom allgemeinen Tötungsverbot.

Die erste Ausnahme ist die Notwehr. Ein Verbrecher überfällt ein unschuldiges Opfer. Er hat die Absicht, es zu töten. Der Angegriffene hat das Recht, sich zu verteidigen. Er darf den Angreifer töten, wenn das eigene Leben anders nicht geschützt werden kann. Es ist eine Güterabwägung. Zwei Güter liegen auf der Waage. Das eigene Leben und das Leben des Angreifers. Der Akt der Notwehr ist eine Handlung mit Doppelwirkung. Die erste Wirkung der Notwehr, die Rettung des eigenen Lebens, ist angestrebt. Die zweite Wirkung, die Tötung des Angreifers, wird in Kauf genommen. Deshalb ist Notwehr sittlich erlaubt.

Und was ist mit der Bergpredigt? Jesus sagt: "Leistet dem, der euch etwas Böses antut, keinen Widerstand, sondern, wenn dich einer auf die rechte Wange schlägt, dann halte ihm auch die andere hin." Wie geht das zusammen? Christen können auf ihr Recht freiwillig verzichten, wenn Aussicht besteht, dass der Angreifer dann von der Gewalt ablässt, oder wenn sie die Kraft und den Mut haben, die ungerechte Gewalt zu erdulden.

Die zweite Ausnahme vom Tötungsverbot ist die Nothilfe. Ein Verbrecher überfällt ein unschuldiges Opfer. Ein Polizist, der das beobachtet, hat die Pflicht einzugreifen. Er hat das Recht, den Angreifer zu töten, um das Leben des Opfers zu schützen.

Notwehr und Nothilfe, diese Prinzipien gelten auch im Krieg. Wenn ein Volk von einem anderen militärisch angegriffen wird, hat es das Recht, sich zu verteidigen. Es hat die Pflicht, einem Verbündeten, der angegriffen wird, zu Hilfe zu kommen. Militärische Verteidigung ist aber nur unter vier Bedingungen erlaubt: (1) Der Schaden, den der Angreifer verursacht, steht sicher fest, ist schwerwiegend und von Dauer. (2) Alle anderen Mittel der Verteidigung erweisen sich als wirkungslos. (3) Es besteht Aussicht auf Erfolg der Aktion. (3) Der Waffengebrauch darf nicht zu Schäden führen, die größer sind als das Übel, das bekämpft wird. Soviel zur "Lehre vom gerechten Krieg". Wir sprechen besser von "legitimer Verteidigung", und wir erinnern uns: Gerechtigkeit schafft Frieden.

Bernhard Lackner