4. Fastensonntag - LAETARE
Evangelium: Lukas 15,1-3 u. 11-32
„Laetare“ – Freu dich! So ist dieser Sonntag überschrieben. Freu dich? Bei den Blick in die Nachrichten fällt es einem doch schwer. Angriff auf die Pressefreiheit, Kriege, Armut… Millionen Menschen mussten ihr Zuhause aufgeben, sind auf der Flucht, oft mit nicht mehr als dem, das sie tragen konnten. Auch wir in Deutschland bleiben davon nicht unberührt. Angst breitet sich aus: Die einen haben Angst vor einer Überforderung Deutschlands, obwohl die Flüchtlingszahlen im Vergleich zu unserer Wirtschaftskraft durchaus noch überschaubar sind. Andere machen sich Sorgen, dass die Kosten der Integration gerade den eh schon benachteiligten Gruppen der Gesellschaft aufgeladen werden.
Wieder andere haben Angst vor einer Spaltung der Gesellschaft, vor einer Zunahme der rechten Gewalt, vor einer Verrohung, die nicht mehr jedem Menschen eine Würde zugesteht. Die Begegnung mit dem Islam, oder genauer mit dem Islamismus, also einer fanatischen Auslegung des Islams seitens Politiker, Terroristen und Schariawächtern, macht vielen Menschen verständlicher Weise Angst. Bischof Fürst hat klar gemacht, wo er den Platz von Christen in diesem Spannungsfeld sieht: In Dialog der Religionen, in der Hilfe für alle Menschen in Not, unabhängig von ihrer Herkunft und im Mitarbeiten bei gesellschaftlichen Lösungen der durchaus großen Herausforderung. Auch hier in Ulm, wo neue Unterkünfte geplant sind, eine direkt in Nachbarschaft zu unserer Guten Hirten Kirche, sind Kraftanstrengungen nötig. Doch gerade in Böfingen und Jungingen wissen es noch viele aus eigener Erfahrung: So schwer es ist die Heimat zu verlieren, Ulm ist kein schlechter Ort, um eine zweite zu finden. Mitten in diese aufgewühlte Zeit, in die Diskussion von „Willkommenskultur“ und „Obergrenze“ setzt die Liturgieordung also ihr, etwa weltfremdes? „Laetare!“ Freu dich!“ Das Evangelium, die frohe Botschaft macht auch deutlich über was, wir uns freuen sollen, oder treffender freuen dürfen. Gottes Liebe kennt keine Obergrenzen. Jesus zeigt es in seinem Zugehen auf die Zöllner und Sünder deutlich, und er erklärt es in der Bibelstelle gleich in 3 Gleichnissen, von denen es nur das letzte in die Leseordnung des heutigen Tages geschafft hat. Lesen Sie doch zuhaus nach, auch das Gleichnis vom verlorenen Schaf und der Freude der Frau über die wiedergefundene Münze sind schöne Zeugnisse von Gottes Liebe. Schauen wir uns das Gleichnis vom barmherzigen Vater doch einmal genauer an. 4 Aussagen über die Liebe Gottes zu uns Menschen sind mir aufgefallen Erstens: Liebe schenkt Freiheit Da kommt dieser junge Sohn zu seinem Vater und sagt quasi: „Hey, Alter, ich will nicht auf deinen Tod warten. Gib mir jetzt mein Erbe.“ Und was macht dieser Vater? Viele Reaktionen könnte ich mir vorstellen: Forderung von mehr Respekt, Bitte um Bedenkzeit, Schuldgefühle auslösen, zeigen, wo der Hammer hängt. Nichts von all dem passiert. Der Vater verzichtet auf jegliche Machtdemonstration und lässt dem Sohn die Freiheit zu gehen. In diesem Vater zeigt sich Gott als Liebender, der darauf verzichtet, seine Ziele mit Gewalt und Zwang zu erreichen. Er wartet in Geduld auf die Heimkehr des verlorenen Sohnes. Die Freude beim Wiedersehen zeigt für mich, dass der Vater sich nicht sicher war, dass es zu diesem happy end kommen würde und dennoch schenkt er dem Sohn die Freiheit, sich auch gegen ihn zu entscheiden. Zweitens: Liebe verzeiht. Welcher Überwindung es dem Sohn wohl gekostet hat, den schmachvollen Heimweg anzutreten, völlig gescheitert, und das aus eigener Schuld. Seine Gedanken sind eindeutig: Als Sohn kann er nicht heimkommen, nur als Bittsteller, als Tagelöhner. Welch ein Abstieg. Sicher hört er schon das „Hab ich es dir nicht gesagt“ und das „Hochmut kommt vor dem Fall“ und dann erlebt er, wie der Vater ihm von weitem entgegenläuft und ihn umarmt und küsst. Da ist kein Triumph, kein Siegesgefühl, kein Anrechnen und Abrechnen. Das ist Mitleid, Freude und Liebe, die verzeiht. Drittens: Liebe erklärt und wirbt Als Kind und Jugendliche habe ich ganz lange den 2. Sohn völlig übersehen. Er hatte mir nichts zu sagen, seine Rolle habe ich einfach nicht verstanden. Umso dankbarer bin ich heute für diesen 2. Sohn. Er ist beim Vater geblieben, hat sich nach besten Gewissen bemüht, alles richtig zu machen. Da wir wissen, dass der Vater für Gott steht, dürfen wir annehmen, dass dieser Sohn für die Pharisäer und Schriftgelehrten, für die Kirchgänger, Priester und Gemeindereferentinnen steht. Und ja, inzwischen kann ich ihn verstehen, für den Abhauer gibt’s eine Party und was gibt es für mich? Neid ist es, der an dem Sohn frisst, aber nicht nur. Mir scheint es, als nage an ihm die Frage: würde mein Vater auch für mich das Mastkalb schlachten? Also übersetzt: Liebt mein Vater mein genauso? Die Reaktion des Vaters ist beindruckend. Wieder ist es er, der den ersten Schritt macht. Wieder verzichtet er auf denkbare Vorwürfe wie „ Hast du denn gar kein Herz?“ „einer von euch muss immer spinnen?“ „ist mir denn nie Frieden gegönnt“, wieder wirbt er für seinen Weg und übt keinen Zwang aus. „Mein Kind, du bist immer bei mir, und alles, was mein ist, ist auch dein“ so beantwortet er die hinter den Vorwürfen ungestellt gebliebene Frage des Sohnes. Für den Vater ist die Liebe klar und spürbar, doch der Sohn hat sie offenbar aus den Augen verloren. Geht es uns nicht manchmal genauso? Zwischen Fastenregeln und Sonntagspflicht vergessen wir, dass es nicht um unsere Leistung geht, sondern dass da einer ist, der uns von ganzen Herzen liebt, der sich mit uns freut und mit uns leidet und das unabhängig von irgendeiner Vorleistung. Gott wirbt darum, dass wir seine Liebe zu uns Menschen annehmen. Es bleibt offen, wie der Sohn mit dieser Antwort umgeht. Kann er gleich befreit mitfeiern? Braucht er etwas Zeit? Zieht er sich gekränkt zurück? Wir wissen es nicht. Viertens: Liebe kennt keine Obergrenze Bezogen auf das Gleichnis befinden wir uns hier im Bereich der Spekulation. Wir wissen nicht wie dieser Vater reagieren würde, wenn nach ein paar Jahren der Jüngere noch einmal sein Erbe fordern würde. Wie oft könnte der Vater das verzeihen? Bezogen auf die Botschaft des gesamten Wirken Jesu wissen wir es dafür mit größtmöglichster Sicherheit. „Gott war es, der in Christus die Welt mit sich versöhnt hat“ so schreibt es Paulus in der heutigen Lesung. Eine Liebe, die sich selbst hingibt, darf man getrost, als grenzenlos bezeichnen. Die Frage, ob wir dieser Liebe trauen können, stellt sich angesichts persönlicher oder gesellschaftlicher Schicksalsschläge und Herausforderungen immer wieder. Am Ende muss jeder von uns für sich selbst antworten und diese Antwort wird sich in unseren Leben immer wieder zumindest in Nuancen verändern. Aber ich glaube, wenn es uns gelingt ja zu dieser Liebe zu sagen, uns in dieser Liebe immer wieder zu bergen, aus ihr zu leben, dann können wir erleben, dass diese Liebe nicht ohnmächtig ist. Wir werden erfahren, dass sie auch im größten Leid ein kleines Hoffnungsfeuer entfachen kann. Wenn wir das Licht seiner Liebe, so klein und gefährdet es auch sein mag, nähren, können wir, jede und jeder an seinem Ort dafür sorgen, dass das Licht nicht der Finsternis weicht. Und dann können wir uns zu recht auf das Osternlicht freuen und der Welt ein Zeichen setzen. Wir sind den Bedrängnissen und Ängsten unserer Zeit nicht wehrlos ausgeliefert, denn Gottes Liebe zu uns allen kennt keine Obergrenzen.