Die Ökumenische Woche begann am 29. Januar mit einem gemeinsamen Gottesdienst in der Kirche „Zum Guten Hirten“. Wie üblich hielt der gastgebende Pfarrer Dr. Lackner die Liturgie, während Pfr. Luik auf seine unnachahmliche Weise die Predigt über das Evangelium „Jesus wandelt über den See“, spannend wie ein Hörspiel gestaltete. Die nachfolgenden beiden Abende sollten die Reformation sowohl aus katholischer Sicht (Dekan Ulrich Kloos) als auch aus evangelischer Sicht (Dekan i.R. Christoph Planck) beleuchten. Beide Referenten betonten indes vielmehr die ökumenische Sichtweise und hoben die vielen Gemeinsamkeiten hervor gegenüber den doch wenigen Differenzen. Pfr. Kloos ging im wesentlichen auf die Geschichte ein. Durch Abkehr vom Mittelalter mit zunehmender Individualisierung und dem Wunsch zu weniger Reglementierung des Lebens geriet die Kirche, d.h. der Vatikan in Rom, in heftige Kritik. 

Reformbestrebungen wurden unterdrückt (Konzil zu Konstanz mit Hus u.a.). Luther traf schließlich mit seinen 95 Thesen den Nerv der Zeit: Die Freiheit des Christenmenschen. Das nutzten die Bauern zu Aufständen (gegen Leibeigenschaft, für freie Jagd und Fischerei). Luther, mit Sinn für Ordnung, wandte sich dagegen und riet dazu, auf die Obrigkeit zu hören. Auch die „Obrigkeit“ (Fürsten, Grafen, Herzöge) strebten nach mehr Eigenständigkeit. Luther kritisierte gezielt das Ablassunwesen, wobei ihn besonders das Vorgehen des Bischofs Albrecht von Mainz und Brandenburg abstieß. Dieser hatte sich bei den Fuggern verschuldet, um das Bistum Brandenburg zu erwerben; ein Bischof sollte sich eigentlich auf ein einziges Bistum beschränken. Doch mit Geld konnte man auch damals schon viel erreichen. Der Bischof steckte sich nämlich einen Teil der Ablassgelder ein, um seine Schulden zu tilgen. Ferner wurde Luther bei seinem Rom-Aufenthalt durch die Missstände im Vatikan heftig enttäuscht, so dass er den Papst schließlich als Antichristen bezeichnete. Auf Papst Julius II., der sich hauptsächlich für weltliche Belange interessierte, folgte (der holländische) Papst Hadrian VI.; dieser versuchte, eine Reform der Kirche in die Wege zu leiten. Er starb aber leider zu früh, so dass die Reformation schließlich zur Kirchenspaltung führte, was Luther eigentlich nicht gewollt hatte. Wegen seiner Fähigkeiten in Predigt und Schrift liefen die Fäden der Kirchenkritik bei ihm zusammen, so dass er als Ursache der politischen und religiösen Unruhen gesehen wurde und zur Verantwortung (Widerruf seiner Thesen) aufgefordert wurde (Worms, Bulle zur Ächtung, Exkommunikation). Doch inzwischen hatten schon viele, besonders aus dem Adel, Abstand zur Kirchenobrigkeit genommen, so dass die Strafandrohungen ins Leere liefen und Luther auf der Wartburg durch Kurfürst Friedrich den Weisen Schutz gewährt wurde. Dort fand er Zeit, die Bibel ins nachhaltige Luther-Deutsch zu übersetzen. Damit begann die Verdrängung des Latein als Kirchensprache durch die Landessprache; in der katholischen Kirche erfolgte dies erst beim II. Vatikanischen Konzil (1962-68). Bei diesem Konzil kam endlich auch die Ökumene zum Durchbruch. Zuvor konnte es keine Gemeinsamkeit geben, da die Lutheraner aus katholischer Sicht als Kirchenspalter diskreditiert wurden (selbst bis zum Anfang des 20. Jh.). Die „Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre“, Augsburg 1999, hat der Ökumene einen weiteren Schub gegeben, indem es zu einem Konsens zwischen Lutherischem Weltbund, röm.-kath. Kirche und Weltrat der Methodist. Kirchen über die Rechtfertigung „allein aus Glaube“ gekommen ist. Auch der Laienkelch wird von Katholiken akzeptiert, doch aus praktischen (hygienischen) Gründen wenig praktiziert. Gewisse unterschiedliche Auffassungen hinsichtlich der Transsubstantiation (wahrer Leib, wahres Blut) bestehen fort, aber auch Unterschiede bezüglich des Amtsverständisses des Priesters, Zölibat, Sakramentenlehre, Frauenordination, Papsttum. Pfr. Planck stellte heraus, dass er die Reformation nicht aus evangelischer Sicht, sondern nur aus eigener Sicht beleuchten könne. Neben den erwähnten wenigen Unterschieden ging er ausführlich auf die von Luther geförderte Kirchenmusik ein, insbes. auf den Gesang (für Pfr. Planck als Thema eine Herzensangelegenheit). Luther hat über 30 Lieder gedichtet und z.T. auch vertont, bereits 1523 das Lied „Nun freut euch, lieben Christen g'mein“, das wie eine Ballade die Glaubensnöte Luthers wiedergibt. Hier kommt auch die Rechtfertigungslehre zum Ausdruck („Mein guten Werk, die galten nicht...“). Es folgten Psalmenlieder („Aus tiefer Not schrei ich zu dir“), Lieder nach lateinischen Hymnen („Nun komm, der Heiden Heiland“ - „Veni redemptor gentium“ von Ambrosius, 386), nach mittelalterlichen Leisen (Kyrie eleis!) und Antiphonen, Fest- und Katechismuslieder, liturgische Gesänge („Vom Himmel hoch da komm ich her“). Viele Lieder („Ö“) finden sich auch im katholischen Gesangbuch (Gotteslob). Die Kirchenlieder sind der Zeit entsprechend einem Wandel unterworfen (in beiden Kirchen). So muss das Gesangbuch entsprechend den Änderungen und Gewohnheiten nach einer gewissen Zeit neugestaltet werden. Nach den Vorträgen kam es jeweils zu intensiven Diskussionen, wobei Laienkelch, Transsubstantiation, Rechtsfertigungslehre, freier Wille und Seelenheil nur durch Gnade, deutsche/lateinische Sprache in der Kirche und Stand der Ökumene besonders thematisiert wurden. Abschließend wurde der Wunsch geäußert nach Wiederholung von Gesprächsrunden dieser Art. Der ökumenische Arbeitskreis hat die Anregung entgegengenommen, um sie bei Gelegenheit umzusetzen.

 

Dr. Wilhelm Forst
Dr. Otmar Slatosch