Fasten spielt in vielen Religionen und Kulturen eine Rolle. Für Muslime ist das Fasten eine der fünf Säulen des Islam, so wie das Gebet, das Glaubensbekenntnis, das Almosengeben und die Wallfahrt nach Mekka. Muslime halten den Fastenmonat Ramadan. Einen Monat lang verzichten sie von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang auf Essen und Trinken. Besonders im Sommer, wenn die Tage lang und die Temperaturen hoch sind, ist das nicht einfach. Das Fasten öffnet die Seele für das Gebet. Der Verzicht sensibilisiert für die Not der Armen. Christen fasten in der österlichen Bußzeit, von Aschermittwoch bis Karsamstag, als Vorbereitung auf Ostern, indem sie auf Süßigkeiten, Alkohol, Kaffee oder anderes verzichten und großzügig für Menschen in Not spenden, beispielsweise mithilfe der Aktion Misereor.

Gesundheitsbewusste fasten nach medizinischer Anleitung. Nach zwei Tagen der Umstellung essen sie eine Woche lang oder länger nichts. Sie nehmen nur viel Flüssigkeit zu sich. Sie machen eine überraschende Erfahrung: Man verhungert nicht. Im Gegenteil. Die geistige und die körperliche Leistungsfähigkeit nehmen zu. Man hat plötzlich viel Zeit, weil die Mahlzeiten wegfallen. Der Geist wird frei. Die Wahrnehmung wird sensibler. Wenn nach einer Woche oder mehr das Fasten gebrochen (breakfast) und die erste „Mahlzeit“ (ein Apfel) eingenommen wird, dann ereignet sich eine Geschmacksexplosion. Wie gut doch ein Apfel schmeckt! Der gesundheitliche Nutzen dieses strengen Fastens im eigentlichen Sinne freilich ist unter Medizinern nicht unumstritten. Kinder, chronisch Kranke und Schwangere sollten die Finger davonlassen. „Können denn die Hochzeitsgäste fasten, solange der Bräutigam bei ihnen ist?“ Mit dieser Gegenfrage antwortet Jesus auf die Frage der Leute: „Warum fasten deine Jünger nicht, während die Jünger des Johannes fasten?“ Jesus, der Bräutigam, und seine Jünger, die Hochzeitsgäste, fasten offensichtlich nicht, ganz im Unterschied zu den Jüngern des Täufers Johannes. Warum? Johannes verkündet eine Gerichtsbotschaft: Gott wird die Welt richten. Die Guten werden belohnt. Die Bösen werden bestraft. Schon bald. Zu dieser Gerichtsrede passt das strenge Fasten als Zeichen der Umkehr. Ganz anders Jesus. Er verkündet eine Heilsbotschaft, gute Nachricht, frohe Botschaft. Gott meint es gut mit uns Menschen und mit unserer Welt. Er will, dass alle gut leben können. In Frieden, in Gerechtigkeit, in Wohlstand. Dieses Reich Gottes beginnt schon jetzt. Deshalb lässt sich Jesus gerne einladen zum Essen und Trinken, zum Feiern. Er ist gekommen, damit wir das Leben in Fülle haben. Das Leben ist wie ein großes Hochzeitsfest. Jesus ist der Bräutigam, wir sind seine Gäste. Fasten passt dazu nicht wirklich. Trotzdem steht in der Bergpredigt eine Anleitung zum Fasten: kein trauriges oder gar finsteres Gesicht machen, die eigene religiöse Fastenleistung nicht zur Schau stellen, kein verwahrlostes Äußeres, sondern Haar und Gesicht sorgfältig pflegen. Die Evangelien erzählen, Jesus habe vierzig Tage in der Wüste gefastet, bevor er öffentlich aufgetreten ist. Vermutlich war er kurze Zeit Schüler des Täufers Johannes, bis er seinen eigenen, anderen Weg gefunden hat, ohne Fasten. Wie halten wir es mit dem Fasten? Das mag jede und jeder selbst entscheiden. Uns allen wünsche ich eine gesegnete Fastenzeit.

Pfarrer Dr. Bernhard Lackner