Das Leitwort unserer diesjährigen Firmung „Ist da wer?“ greift einige der zentralsten Fragestellungen des christli-chen Glaubens auf: Ist da wer, der unsere Welt in den Händen hält? Ist da wer, der mich erschaffen hat, sodass ich nicht nur eine Laune der Natur oder ein Produkt biochemischer Prozesse bin? Und: Ist da wer, der einen Plan für mein Leben hat und möchte, dass eben dieses Leben gelingt? Es geht um die Frage nach Gott selbst.
Die Zeit des Erwachsenwerdens, in der sich die Firmbewerberinnen und Firmbewerber befinden, ist geprägt von Wandlung, Loslösung und Neuorientierung. Für die meisten der Jugendlichen sind die Zeiten vorbei, in denen die Eltern die wichtigsten Bezugspersonen in ihrem Leben sind und mit denen sie wie selbstverständlich über alles sprechen können, was sie im Innersten bewegt und anfragt. Vielmehr verlangen die Jugendlichen nunmehr große Freiräu-me und Eigenständigkeit. Aus kindlicher Nähe wird jugendliche Distanz. Diese Transformation lässt sich auch in der Frage nach Gott erkennen. Der Glaube an den „lieben Gott“, der mich immer erhört, wenn ich zu ihm bete und der alles kann und mein bester Freund ist, trägt in vielen Fällen nicht mehr. Die Geschichten aus der Bibel zum Thema Schöpfung lassen sich auf den ersten Blick nicht mit den naturwissenschaftlichen Erkenntnissen aus dem Biologie-unterricht vereinbaren. Und die Erfahrungen von Trennung, Leid und Tod passen nicht so recht zum guten und liebenden Vater. Die meisten Jugendlichen verabschieden sich in der Zeit des Erwachsenwerdens vom Glauben ihrer Kindheit und gehen zunehmend in eine kritische Distanz zu Gott, zum Glauben und zur Kirche. Die Firmvorbe-reitung unter dem Leitwort „Ist da wer?“ bietet die Möglichkeit, diese wachsende kritische Distanz der Jugendli-chen aufzugreifen und mit ihnen darüber ins Gespräch zu kommen. Ziel der Firmvorbereitung kann es nicht sein, Glaubenszweifel auszuräumen und einen längst vergangenen Kinderglauben wiederzubeleben. Der deutsche Philosoph Josef Bordat (*1972) hat einmal treffend formuliert: „Besser ein Zweifler, der manchmal glaubt, als ein Gläubiger, der nie zweifelt.“ Vielmehr geht es darum, die An-(Fragen) der Jugendlichen ernst zu nehmen, sich als Kirche – als Gemeinschaft der Glaubenden – diesen zu stellen und die Frage nach Gott im Leben der jungen Men-schen wachzuhalten. Besonders in den Zeiten des persönlichen Umbruchs, den viele Jugendliche im Firmalter durchleben, kommt es weniger auf die Vermittlung vorgefertigter Glaubenssätze an, sondern auf das Verbalisie-ren von Glaubenszweifeln in einer von Vertrauen und Toleranz geprägten Atmosphäre. Dazu gehört auch die Be-reitschaft als Verantwortlicher in der Firmvorbereitung eigene Fragen und Zweifel einzugestehen. Ein ehrliches „Ich weiß es nicht.“ oder „Das ist auch für mich unbegreiflich.“ wirken in diesem Kontext oftmals authentischer als der Rückgriff auf eben jene vorformulierten Glaubenssätze. Gleichzeitig lädt die Firmvorbereitung dazu ein, ge-meinsam mit den Jugendlichen auf die Suche nach den Spuren Gottes im eigenen Leben zu gehen. Es kann ein Raum eröffnet werden, der Widersprüchliches ins Wort bringt und zugleich die Möglichkeit der Erfahrung schen-ken kann, dass der Zweifel auch die Hoffnung stärkt. Leitende Fragen können dabei lauten: Wo habe ich seine Gegenwart in meinem Alltag gespürt? In welchen Situationen glaube ich, dass Gott mich auf die rechte Bahn ge-lenkt hat? Konnte ich mit Gott scheinbar unüberwindbare Probleme lösen? Diese Glaubensannäherung und Glau-bensvergewisserung im Rahmen der Firmvorbereitung mündet dann schließlich in den Empfang des Sakraments der Firmung, in dem Gott die Jugendlichen im Heiligen Geist für ihren weiteren Lebens- und Glaubensweg in der Welt und der Kirche stärkt. Aus seiner Glaubens- und Lebenserfahrung heraus empfiehlt Papst Franziskus, persön-liche (Glaubens-)Zweifel und Krisen als Chance zu begreifen: „Ein Christ - das habe ich gelernt - darf keine Angst haben, in eine Krise zu geraten: Es ist ein Zeichen, dass er vorwärtsgeht, dass er nicht am Ufer des Flusses oder des Meeres ankert.“ Zweifel und Krisen können somit zu einer Vertiefung des eigenen Glaubens beitragen. Das Rin-gen mit Gott, mit seinen häufig auch unbegreiflichen Wegen, ist ein Ausdruck der Vitalität und Dynamik des eige-nen Glaubens. Auch wir als Gemeinde werden hier in Verantwortung genommen. Begleiten Sie die Firmbewerbe-rinnen und Firmbewerber aktiv mit. Durch Ihren gelebten Glauben, Ihre Offenheit für Gespräche mit ihnen und mit Ihrem Gebet für sie. Ist da wer? Gott!!!
Pastoralreferent Niels Materne