Am 24.9.2022 hat in Rottenburg das KONZIL VON UNTEN getagt. Zu seiner Beschreibung, Zusammensetzung und den Anliegen verweise ich auf frühere Veröffentlichungen im Gemeindeblatt und auf die Internetseite www.konzil-von-unten. Auf dieser Homepage können auch alle Dokumente, Vorträge und Stellungnahmen des Konzilstages nachgelesen werden. Beschlossen wurden 7 Forderungen, die in diesem Heft an anderer Stelle abgedruckt sind. Diese wurden als Rottenburger Erklärung dem anwesenden Bischof Fürst übergeben, verbunden mit dem Anliegen, er möge sich in Rom dafür nachhaltig einsetzen. Zur rechtswirksamen Durchsetzung der genannten Forderungen hält das KONZIL VON UNTEN ein Weltkonzil für notwendig. Frau Prof. Dr. Rahner, Lehrstuhlinhaberin für katholische Dogmatik an der Uni Tübingen, fasste in ihrem Vortrag mit dem Thema „Brauchen wir eine neue Kirche? Die Notwendigkeit von Reformen und die Chancen eines neuen Weltkonzils“ die wesentlichen Argumente für die Reformanliegen zusammen. Dazu bezog sie sich zunächst auf Texte des II. Vatikanischen Konzils, in denen es um die damals sehr unterschiedlichen Kirchenbilder ging. Kurz gesagt: Soll die Kirche (monarchisch und autoritär) von „oben nach unten“ nach dem Prinzip von (Glaubens-)Befehl und (Glaubens-)Gehorsam strukturiert sein oder, wie es das II. Vatikanum schließlich verabschiedet hat, nach dem Prinzip gleichberechtigter Teilhabe aller Kirchenmitglieder mit allen damit verbundenen Konsequenzen einer bedingungslos den Menschen zugewandten Kirche. Das werde durch derzeitige Hürden verhindert. Dazu zählen beispielsweise die amtliche Sexualethik der Katholischen Kirche, die nicht vorhandene Gleichstellung aller Menschen, unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung, die nicht vorhandene demokratische und rechtsstaatliche Struktur der Kirche, die Sprachbarrieren, die eine verständliche Verkündigung verhindern und der verpflichtende Zölibat, um nur das Wichtigste zu benennen. Sie hält eine solche Wende für theologisch zwingend und wandte sich energisch gegen konservative Denkmuster, das würde einem „Relativismus“ Vorschub leisten. Sie trat auch dem Vorwurf entgegen, die aufgestellten Forderungen würden, wie beispielsweise die Stellung von Frauen in der Kirche, nur von einem kleinen Teil der „Katholischen Welt“ vertreten und hätten deshalb keine globale eltkirchliche Relevanz. Im Gegenteil bedeute das, andere Gesellschaften bei deren Durchsetzung solch grundlegender Menschenrechte zu unterstützen. Auch muss in diesem Zusammenhang die wichtige kirchenpolitische und sehr praktische Frage einer Regionalisierung kirchlicher Verantwortung geklärt werden. In den anschließenden Interviews mit kirchlichen Mitarbeitern wurde deutlich, dass die „Katholische Wirklichkeit“ schon wesentlich weiter ist aber dort an Grenzen stößt, wo kirchenrechtliche Hindernisse noch wirksame Barrieren darstellen. Der dadurch verursachte Frust und die damit verbundenen persönlichen Konflikte waren deutlich spürbar. Der Tag wurde mit einem Gottesdienst im Rottenburger Dom beendet und es schwang die Hoffnung mit, dass sich den beschriebenen Reformforderungen viele Kirchenmitglieder anschließen und die Kirchengemeinden sich an diesen Diskussionen intensiv beteiligen.

Thomas Brüstle