Am 08. Juni 2023

erstkommunion sw

EVANGELIUM: Mt 5,31-32

Auch an Fronleichnam geht sie weiter, die Predigtreihe über die Zehn Gebote. Wir wollen gut leben. Was tun wir dafür? Wir halten uns an Regeln. Wir halten uns an die Zehn Gebote. Ich bin Jahwe, dein Gott, der dich aus Ägypten geführt hat, aus dem Sklavenhaus. Du wirst, du sollst nicht ehebrechen. So lautet das sechste Gebot der kirchlichen Zählung. Worum geht es?

Damals in biblischer Zeit im Orient war das gesellschaftliche Leben auf den Mann ausgerichtet. Der Mann heiratet. Er nimmt sich eine Frau. Die Frau geht gleichsam in seinen Besitz über. Ehebruch bedeutet: Ein Mann, selbst verheiratet oder unverheiratet, lässt sich mit der Frau, die einem anderen gehört, ein. Er nimmt dem anderen die Frau weg. Er verletzt damit gleichsam sein Besitzrecht. Geht dagegen ein Mann eine Beziehung mit einer unverheirateten Frau ein, ist das kein Ehebruch. Umgekehrt gilt: Eine Frau begeht Ehebruch, wenn sie selbst verheiratet ist und sich mit einem anderen Mann einlässt. Das heißt: Eine Frau kann nur die eigene Ehe brechen, ein Mann nur die fremde Ehe. Die Frau ist in diesem System benachteiligt. Das gilt auch bei einer Scheidung. Nach jüdischem Recht kann ein Mann seine Frau aus der Ehe entlassen. Er stellt ihr einen Scheidebrief aus und schickt sie weg mit schlimmen Folgen für sie. Ohne Ehemann ist sie schutzlos und rechtlos. Schriftgelehrte in biblischer Zeit sagen: Als Grund für eine Scheidung reicht es aus, wenn eine Frau ihrem Mann kein anständiges Essen kocht. Auch Jesus wird zur Ehescheidung gefragt: Darf ein Mann seine Frau aus der Ehe entlassen? Die Antwort: Mose hat es erlaubt. Ursprünglich aber war es nicht so. Gott führt Mann und Frau zusammen. Was Gott verbunden hat, das darf der Mensch nicht trennen. Jesus ist gegen die Ehescheidung, nicht um Menschen zu gängeln, sondern um den schwächeren Teil, die Frau, zu schützen. Die Ehe ist kein Besitzverhältnis. Sie ist Ausdruck der Liebe, der Achtung voreinander, der Sorge füreinander. Ich bin Jahwe, dein Gott, der dich aus Ägypten geführt hat, aus dem Sklavenhaus. Du wirst, du sollst nicht ehebrechen. Unter dem Titel des sechsten Gebots verhandelt die Kirche alles, was Menschen in ihrer männlichen, weiblichen oder sonstigen Identität sind und tun. Letzte Instanz in diesen Fragen ist das persönliche Gewissen. Zum Beispiel in der Familienplanung Papst Paul VI. hat 1968 das Rundschreiben Humanae vitae veröffentlicht. Er sagt: Christliche Eheleute dürfen zur Empfängnisregelung keine künstlichen Mittel anwenden. Daraufhin erklärten die deutschen Bischöfe: Katholiken sollen die Lehre der Kirche achten. Kommen sie aber in ihrem Gewissen zu einer anderen Überzeugung, dann sollen sie ihrem Gewissen folgen. Dieses Wort der Bischöfe gilt bis heute. Zu Fragen der Moral nimmt die Kirche Stellung, aber sie verzichtet im Bereich der Moral auf letztverbindliche, unfehlbare Aussagen. Jede und jeder kann im Gewissen frei entscheiden. Ich bin Jahwe, dein Gott, der dich aus Ägypten geführt hat, aus dem Sklavenhaus. Du wirst, du sollst nicht ehebrechen. Gott schenkt uns Freiheit. Er befähigt uns, unser Leben in Freiheit und in Verantwortung zu gestalten.

Pfarrer Dr. Bernhard Lackner