Am 22. Oktober 2023
EVANGELIUM: Mt. 22, 15-21
Vorsicht Falle! Vielleicht kennen Sie diese Fernsehsendung, Brüder und Schwestern. Das Fernsehen warnt vor Neppern, Schleppern und Bauernfängern. Von einer Falle haben wir auch im heutigen Evangelium gehört. Die Pharisäer wollen Jesus mit einer Frage eine Falle stellen. Worum geht es? Auf den damaligen römischen Münzen war neben dem Bild des Kaisers eine Inschrift: „Sohn des göttlichen Augustus“.
Bedeutet das Zahlen von Steuern mit dieser Münze also, dass man einen römischen Gott akzeptiert? Obwohl es für Israel nur einen Gott geben darf, Adonai, den Gott Israels? Sie fragen Jesus also, ob ein Israelit den Römern Steuern zahlen dürfe. Antwortet Jesus mit „Nein“, dann wird er von den Anhängern des Herodes als Rebell und Aufrührer an die Römer verraten. Antwortet Jesus mit „Ja“, dann fühlen sich die frommen Juden von ihm verraten und werden ihm nicht mehr folgen. Den Pharisäern wäre beides recht. Jesus umgeht die Falle. Er beantwortet die Frage nicht direkt, sondern er macht deutlich, was ihm wichtig ist. Gebt Gott, was Gottes ist! Für Jesus ist die persönliche Beziehung zu Gott wichtig – egal in welchem politischen Umfeld. Und für Jesus ist die Liebe zum Nächsten wichtig. Sie ist die Antwort auf die Liebe Gottes zu uns. Die eigene Liebe zu Gott, die eigene Liebe zum Nächsten. Nichts davon erfordert einen politischen Umsturz, den viele Israeliten damals gerne gehabt hätten. Jesus trennt hier klar den Staat und die Religion. Im Staat leben Menschen mit ganz unterschiedlichen Ansichten zusammen. Das kann nur funktionieren, wenn jeder gewaltfrei die Meinung der anderen toleriert. Das bedeutet es für mich heute dem Kaiser zu geben, was des Kaisers ist. Gott zu geben, was Gottes ist: Was heißt das nun ganz konkret? Wie sollen wir als Christen heute handeln? Ich gebe Ihnen zwei Beispiele. Eine Kollegin erzählte mir vor einiger Zeit von einer älteren Dame, so um die 90 Jahre alt, aus der Weststadt. Ich nenne diese Dame mal Frau Schmitz. Meine Kollegin hatte Frau Schmitz kurz besucht, um ihr einen Schlüssel abzugeben. Dabei schüttete Frau Schmitz ihr Herz aus. Frau Schmitz lebt allein in ihrer Wohnung. Ihre Nichten und Neffen besuchen sie nicht mehr seit klar wurde, dass es nichts zu erben gibt. Frau Schmitz ist nicht mehr gut zu Fuß und an ihre Wohnung gebunden. Sie hat Angst, dass sie eines Tages stürzt und hilflos am Boden liegt. So will Frau Schmitz nicht mehr leben. Frau Schmitz hat sich einen Termin in der Schweiz besorgt. Sie will dort ihrem Leben ein Ende setzen lassen. Sterbehilfe. Ein heikles Thema. Wenn ich hier eine Umfrage starten würde, bekäme ich ganz unterschiedliche Meinungen zum Thema Sterbehilfe, da bin ich sicher. Das Bundesverfassungsgericht hat vor ein paar Jahren entschieden, dass ein Mensch selbstbestimmt sterben können müsse. Dazu gehöre es auch, ihm beim Suizid zu helfen. Frau Schmitz müsste heute nicht mehr in die Schweiz reisen. Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist. Die Mehrheit in unserem Land hat so entschieden. Gott zu geben, was Gottes ist. Was bedeutet das hier? Was sagt uns das Evangelium? Frau Schmitz will ihrem Leben ein Ende setzen, weil sie vereinsamt ist. Sie ist gefangen im Alter, gefangen in der eigenen Wohnung. Ich war im Gefängnis, und ihr habt mich nicht besucht. Mt 25, Vers 43. Gott zu geben was Gottes ist. Das heißt hier für mich: Seien wir wachsam in unserem Umfeld. Achten wir darauf, warum Menschen verzweifeln und ihrem Leben ein Ende setzen wollen. Besuchen wir Menschen, die einsam sind. Lassen wir sie nicht vereinsamen. Es bedeutet auch, alten Menschen zu zeigen, dass sie uns wertvoll sind. Keine Belastung. Kein Kostenfaktor. Seien wir ein Licht in der Dunkelheit. Ein zweites Beispiel. 2003 haben meine Frau und ich unser erstes Kind erwartet. Meine Frau erzählte unserem damaligen Vermieter, dass wir bald zu dritt in der Wohnung sein würden. Unser Vermieter sagte darauf: „Zum Glück muss heute ja niemand mehr ein behindertes Kind zur Welt bringen.“ Es geht hier um Pränataldiagnostik. So lautet der Fachbegriff. Dahinter stecken Tests ungeborener Kinder zum Beispiel auf das Down-Syndrom. Trisomie 21. Diese Tests werden seit dem vergangenen Jahr unter bestimmten Voraussetzungen von den Krankenkassen bezahlt. Eltern soll nicht zugemutet werden, dass sie ein Kind mit Down-Syndrom bekommen. Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist. Die Mehrheit in unserem Land hat so entschieden. Wie geben wir Christen nun Gott, was Gottes ist? Für meine Frau und mich war damals klar: Wir lassen unser Kind nicht auf Behinderungen testen. Meine Frau hat die Vorsorgeuntersuchungen zum Schutz der eigenen Gesundheit und der Gesundheit des Kindes wahrgenommen. Mehr nicht. Welche Konsequenzen hätten wir auch ziehen sollen, wenn eine Behinderung festgestellt worden wäre? Gott zu geben, was Gottes ist. Das heißt hier für mich: Legen wir Zeugnis davon ab, dass jedes von Gott geschaffene Leben wertvoll ist. Egal ob mit oder ohne Behinderung. Überlegen wir, wie wir Menschen mit Behinderung in unser Gemeindeleben integrieren können. Da geht oft mehr als wir zunächst meinen. Unterstützen wir Eltern von Kindern mit Behinderung. Diese Eltern tragen eine große Belastung. Seien wir ein Licht in der Dunkelheit. Damit Sie mich nicht falsch verstehen: Natürlich sollen wir als Christen uns auch politisch einsetzen. Natürlich sollen wir unsere mahnende Stimme erheben, wenn unsere Gesellschaft den Schwachen ein Lebensrecht abzusprechen droht. Aber Gott zu geben, was Gottes ist – das heißt für mich mehr. Es heißt als erstes, eine Beziehung zu Gott zu pflegen. Hier im Gottesdienst, aber auch im persönlichen Gebet. Und versuchen wir aus dieser Beziehung heraus dort ein Licht zu sein, wo es in unserer Gesellschaft dunkel geworden ist. Damit es für alle hell wird.
Diakon Markus Lubert