Am 12. Mai 2024

leitartikel sw

EVANGELIUM: JOH 17,6-19

Ich vertrete unsere Ulmer Gesamtkirchengemeinde im Beirat des Hospizes, Schwestern und Brüder. Im Beirat sitzen Vertreterinnen und Vertreter der Organisationen in Ulm, die das Hospiz unterstützen. Zu Beginn jeder Beiratssitzung werden die Teilnehmenden der Runde gefragt, welche Themen sie gerade bewegen. Im April hatten wir wieder eine Sitzung.

Die Vertreterin des Landratsamts sprach von den Herausforderungen, die vielen Geflüchteten aus der Ukraine unterzubringen. Die Vertreterin der Uniklinik sprach über neue Konzepte in der Versorgung von Palliativpatienten – also den Patienten, die keine Aussicht auf Heilung mehr haben. Die Pfarrerin der Klinikseelsorge erzählte von ihren Gesprächen mit krebskranken Patienten und ihren Angehörigen. Und dann kam ich als Vertreter der katholischen Kirche in Ulm an die Reihe. Was bewegt uns gerade? Uns – die katholische Kirche in Ulm? Die Südwestpresse hat mir geholfen. Ich sagte: „Sie haben es sicher heute in der Zeitung gelesen. Uns beschäftigen unsere Immobilien, und was wir uns in Anbetracht sinkender Katholikenzahlen noch leisten können.“ Die Schlagzeile im Lokalteil der Südwestpresse an jenem Tag lautete nämlich: „Was tun mit vielen leeren Immobilien der Kirchen?“ Und in ökumenischer Verbundenheit klagten die Dekane der evangelischen und der katholischen Kirche über die gleichen Probleme – mit ihren Immobilien. „Sie sind nicht von der Welt, wie auch ich nicht von der Welt bin“, so betet Jesus im heutigen Evangelium. Aber klingen Immobilienprobleme nicht sehr nach dieser Welt? Mit Blick auf den hohen Anteil an Verwaltung, der in unserer Kirche inzwischen geleistet werden muss, ist der Blick manchmal verstellt auf das, was unsere Kirche eigentlich ausmacht – oder ausmachen sollte. „Uns beschäftigen unsere Immobilien“, habe ich also im Hospizbeirat gesagt. Aber gleich dazu gesetzt: „Aber das ist nicht das, was mich zur Zeit beschäftigt.“ Was beschäftigt mich zur Zeit? Das Hospiz hat das Ende des Lebens im Blick. Es ermöglicht Menschen ein Sterben in Würde. Mich beschäftigt gerade aber eher der Anfang des Lebens. Und damit sind wir wieder ein bisschen beim Muttertag. Wir leben in einer Welt zunehmender Krisen. Kriege, die einen Einfluss auf unser Leben haben. Die noch außerhalb unseres Landes sind. Aber wird das so bleiben? Autokraten kommen in vielen Ländern an die Macht und säen mit ihren Lügen Hass und Zwietracht unter den Menschen, um ihre persönlichen Vorteile daraus zu ziehen. In unserem Land gibt es immer mehr Menschen, die sich von „denen da oben“ nichts mehr sagen lassen wollen. Die selbst Sanitäter und Feuerwehrleute als Vertreter des Staates sehen – als „Systemling“ – und auf sie einprügeln. Die sich aber andererseits nach einem starken Führer sehnen. Mein Gott, warum hast Du Intelligenz so ungleich verteilt? Wir merken auch bei uns, dass es immer heißer und trockener wird – Klimakrise. Auf welche Welt blicken junge Paare, die überlegen eine Familie mit Kindern zu gründen? Auf der einen Seite haben wir also zunehmende Unsicherheiten in der Welt. Auf der anderen Seite nimmt der gesellschaftliche Druck auf junge Eltern immer mehr zu. In der Wochenzeitung „Die Zeit“ gab es vor zwei Jahren mal einen Artikel: „Wann ist der richtige Zeitpunkt für ein weiteres Kind?“ Die optimale Familienplanung ist gefordert! Welche Untersuchungen lassen werdende Eltern in der Schwangerschaft machen? Und wie sollen sie mit den Ergebnissen der Untersuchungen umgehen? „Es ist unverantwortlich heute noch behinderte Kinder in die Welt zu setzen“ – sagen viele in der Gesellschaft. Nach der Geburt müssen die Eltern dann auch alles richtig machen – man will dem eigenen Kind ja keine schlechteren Startbedingungen geben als andere Eltern. Babyschwimmen. Musikalische Frühförderung von Babys. PEKiP. Sie wissen nicht was „PEKiP“ ist? PEKiP steht für „Prager Eltern-Kind-Programm“. Es geht um Spiel-, Bewegungs- und Sinnesanregungen für Eltern und Säuglinge. Wenn Frauen nicht gleich nach der Geburt wieder mit der Arbeit beginnen, sind es schlechte Frauen. Wenn sie gleich nach der Geburt wieder mit der Arbeit beginnen, sind es schlechte Mütter. Ich könnte die Aufzählung stundenlang fortsetzen. Sie sicher auch. Zunehmende Unsicherheiten in der Welt. Zunehmende Verunsicherungen durch die Welt. Es ist vielleicht nicht einfach, sich heute bewusst für Kinder zu entscheiden. Das Gebet, das Jesus im heutigen Evangelium spricht, soll uns Mut machen: Auch in der Verlorenheit der Welt, lässt Gott uns nicht verloren gehen. Wir Christen sind nicht von dieser Welt – und sollten uns deshalb von dieser Welt auch nicht irre machen lassen. Wir sollen auf Christus schauen und in seiner Wahrheit bleiben – und uns nicht von den Meinungen und Einflüssen der Welt um uns herum treiben lassen. Wenn ich auf Christus schaue: Was ist für mich wichtig und richtig? Was für uns als Paar? Was für meine Kinder? Was für uns als Familie? „Ich rede dies noch in der Welt, damit sie meine Freude in Fülle haben“, betet Jesus. Und er sendet uns in die Welt, damit wir diese Freude weitertragen und verkünden. Ich habe daher damit angefangen, Segnungsgottesdienste für werdende Eltern zu feiern und möchte das regelmäßig machen – so etwa zweimal im Jahr. Im April war die erste Feier. Ich war alleine. Niemand ist gekommen. Ich habe stellvertretend für alle werdenden Eltern gebetet, so wie ich es bei meiner Weihe versprochen habe. Jesus hat uns in die Welt gesendet, damit wir Freude in die Welt tragen. Und nicht, damit wir über unsere Immobilienprobleme klagen – die es sicher gibt, und die auch sicher gelöst werden müssen. Aber ist es das, was uns Christen ausmacht, und was wir über uns in der Zeitung lesen wollen, Schwestern und Brüder?


Diakon Markus Lubert