Am 24. Mai 2021
EVANGELIUM: Johannes-15-26-16-15
Jesus Christus ist in den Himmel aufgefahren. Von dort sendet er uns den Heiligen Geist. Wir hoffen, dass wir ihm einmal folgen dürfen in den Himmel. Wir fragen uns: Wie sieht es dort aus im Himmel. Mich interessiert vor allem eine Frage: Welche Musik wird im Himmel gespielt? Ich vermute: Die Musik, die im Himmel gespielt wird, kommt von Arvo Pärt, zeitgenössischer Komponist aus Estland. Er schöpft aus den Quellen der alten Musik. Gregorianik. Renaissance.
Er verwendet einfachste Mittel. Manchmal nur drei Töne in einem Lied. Einen Dreiklang. Der Sänger singt den Text des Liedes auf nur einem Ton. Minutenlang. Dann auf dem zweiten Ton. Schließlich auf dem dritten. Arvo Pärt sagt: Ich erkannte, dass es genügt, wenn ein einziger Ton schön gespielt wird. Ein einziger Ton, schön gespielt oder gesungen, genügt. Ein einziger Ton, ist das nicht zu wenig? Das Problem unserer Zeit ist nicht das Zuwenig, sondern das Zuviel. Zu viele Töne. Reizüberflutung. Lärm in jeder Hinsicht. Zu viel laute Musik. Zu viel überflüssiges Gerede. Zu viele Bilder. Zu viele Nachrichten. Zu viel Werbung. Zu viel Papier im Briefkasten. Zu viel Arbeit. Das Problem unserer Zeit ist nicht das Zuwenig, sondern das Zuviel. Das Zuviel macht krank. Das Zuviel ist die Hölle. Da wollen wir nicht hin, in die Hölle. Wir wollen lieber in den Himmel, weil dort himmlische Musik erklingt. Ein einziger Ton, schön gespielt, genügt. Wir wollen, dass ein Stück Himmel zu uns auf unsere Erde kommt. Das hoffen wir gerade hier in der Kirche. Manche mögen es, wenn der Kirchenraum möglichst üppig ausgestattet ist, pompös. Kein Fleckchen darf frei bleiben. Ich sehe das anders. Das Zuviel, die Reizüberflutung, der Lärm, akustisch und optisch, das bleibt draußen. Drinnen in der Kirche ist weniger. Stille. Raum zum Atmen. Freier Raum. Raum für die Seele. Mein Vater war Malermeister mit eigenem Betrieb. Als Jugendlicher habe ich hin und wieder mitgearbeitet, wenn eine Wohnung renoviert wurde. Was mich am meisten faszinierte: Wenn ein Raum frisch gestrichen war. Weiß. Wenn der Raum noch ganz leer war. Raum zum Atmen. Freier Raum. Raum für die Seele. Die Kirche St. Fidelis in Stuttgart wurde neugestaltet. Der Kirchenraum wurde ausgeräumt. Decke und Wände sind jetzt in einem hellen, warmen Farbton gehalten. Im Kirchenschiff stehen sich der Altar und der Ambo gegenüber in der Längsachse. Wort und Brot im Dialog. Der Altar ist aus hellem Kalkstein. Die Oberfläche unbearbeitet. Ambo, Taufstein und Tabernakel sind aus dem Altarblock herausgeschnitten. An den beiden langen Wänden des Kirchenschiffs, zwischen Altar und Ambo, stehen einfache, bewegliche Holzstühle in zwei Gruppen, einander gegenüber. Das war es schon. Mehr ist nicht drin in der Kirche. Raum zum Atmen. Freier Raum. Raum für die Seele. Stille. Heilmittel für die Seele. Das Problem unserer Zeit ist nicht das Zuwenig, sondern das Zuviel. Ich erkannte, dass es genügt, wenn ein einziger Ton schön gespielt wird.
Pfarrer Dr. Bernhard Lackner