Am 06. April 2023

erstkommunion sw

EVANGELIUM: Joh 13, 1-15

Wir wollen gut leben. Was können wir dafür tun? Wir können uns an die Regeln halten, an die Gebote: Du sollst nicht töten. Du sollst nicht die Ehe brechen. Du sollst nicht stehlen. Du sollst nicht lügen. Ehre deinen Vater und deine Mutter. Sich an die Regeln halten. Das hilft, aber es reicht nicht aus. Wir brauchen mehr. Wir brauchen Grundhaltungen, gute Einstellungen, die unser Verhalten positiv bestimmen, die Tugenden.

Klingt altmodisch, ist aber aktuell. Wir kennen vier Kardinaltugenden. Das Wort Kardinaltugend kommt vom lateinischen Cardo, zu Deutsch: die Türangel, der Dreh- und Angelpunkt. Die vier Kardinaltugenden öffnen uns gleichsam die Tür zum Leben. Sie heißen: Klugheit, Gerechtigkeit, Tapferkeit und das rechte Maß. Heute am Gründonnerstag spreche ich über die vierte Kardinaltugend: das rechte Maß. Heute am Gründonnerstag geht es ja um Essen und Trinken, Brot und Wein. Wir räumen ein: Bisweilen halten wir uns nicht an das rechte Maß. Wir essen zu viel. Wir trinken zu viel. Das macht zwar Spaß im Moment, aber es tut uns nicht gut. Das merken wir am nächsten Morgen, wenn wir uns auf die Waage stellen, wenn wir uns auf die Suche machen nach einer Kopfschmerztablette. Das rechte Maß, es hilft zum guten Leben. Während meines Studiums hatte ich zweimal Gelegenheit, ins Heilige Land zu reisen, nach Israel. Die erste Reise war über das Osterfest. Unsere Gruppe war eingeladen zum jüdischen Pessach-Fest. Wir durften das Pascha-Mahl mitfeiern. Die Israeliten haben dieses Mahl gehalten in der Nacht, in der sie aus Ägypten ausgezogen sind, aus dem Land der Sklaverei. Exodus. Movement of Jah People. Ungesäuertes Brot. Ein Lamm. Wein. Das Mahl ist ein Gottesdienst und folgt einer vorgeschriebenen Ordnung. Essen und Trinken. Lesungen. Gebete. Von allem etwas. Nicht zu viel. Nicht zu wenig. Alles im rechten Maß. Jesus hat am Abend vor seinem Leiden mit seinen Jüngern dieses Pascha-Mahl gehalten. Sicher ist er dabei der vorgeschriebenen Ordnung gefolgt. Nur an einem Punkt nicht. Am entscheidenden Punkt. Da hat er etwas hinzugefügt. Er nimmt das Brot, teilt es, verteilt es und spricht: Nehmt und esst. Das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird. Er nimmt den Kelch und spricht: Nehmt und trinkt. Das ist mein Blut, das für euch vergossen wird. Tut dies zu meinem Gedächtnis. Jesus gibt sein Leben für uns. Er ist bei uns in den Gestalten von Brot und Wein. Jetzt können wir fragen: Jesus, Gott, hält er sich hier an das rechte Maß? Nicht zu viel und nicht zu wenig? Ja und nein. Ja. Jesus, Gott, er gibt uns schwachen Menschen, was wir zum Leben brauchen. Genau so viel, wie wir brauchen zum Leben. Nicht zu viel. Nicht zu wenig. Brot zum Leben. Beschränkt er sich dabei auf das rechte Maß? Nein. Er geht dabei über jedes Maß hinaus. Er ist maßlos in seiner Hingabe, in seiner Liebe zu uns. Können wir es ihm nachtun? Mich interessiert jetzt noch eine Frage. Was meinen Sie zu meiner Predigt? Habe ich das rechte Maß eingehalten? Nicht zu viel und nicht zu wenig geredet? Wir wollen gut leben. Wir halten uns an Regeln und an die vier Kardinaltugenden. Klugheit, Gerechtigkeit, Tapferkeit und das rechte Maß. Diese vierte Kardinaltugend, das rechte Maß, war unser Thema, heute am Gründonnerstag. Über welche Kardinaltugend werde ich morgen sprechen, am Karfreitag?

Pfarrer Dr. Bernhard Lackner