Am 07. April 2023
EVANGELIUM: Joh 19, 16-30
Wir wollen gut leben. Was tun wir dafür? Wir halten uns an die Regeln. Du sollst nicht töten. Du sollst nicht die Ehe brechen. Du sollst nicht stehlen. Du sollst nicht lügen. Ehre deinen Vater und deine Mutter. Wir eignen uns Grundhaltungen an. Gute Einstellungen, die unser Verhalten positiv bestimmen. Tugenden. Klingt altmodisch, ist aber aktuell. Wir kennen vier Kardinaltugenden. Das Wort Kardinaltugend kommt vom lateinischen Cardo.
Zu Deutsch: die Türangel, der Dreh- und Angelpunkt. Die vier Kardinaltugenden öffnen uns die Tür zum Leben. Sie heißen: Klugheit, Gerechtigkeit, Tapferkeit und das rechte Maß. Heute am Karfreitag spreche ich über die dritte Kardinaltugend: die Tapferkeit. Jesus ist tapfer wie kein anderer. Er hört auf Gott, seinen Vater. Er weiß, was Gott von ihm will. Er ist bereit, genau das zu tun. Er geht seinen Weg. Dieser Weg wird kein leichter sein. Jesus weiß das. Er ringt mit sich selbst. Er ringt mit Gott, an diesem letzten Abend, nach dem Abendmahl, im Garten Gethsemane. Muss es wirklich sein? Dieses Leiden? Diese Schande? Dieser Tod? Noch könnte er sich in Sicherheit bringen. Einfach abhauen. Sich verstecken. Die Soldaten würden ihn suchen, aber nicht finden. Es wäre ganz leicht. Ganz einfach. Doch Jesus weiß es: Gott will nicht, dass er flieht. Das wäre feige. Gott will, dass er bleibt, dass er seinen Weg zu Ende geht. Und Jesus? Er vertraut seinem Vater im Himmel, so wie er ihm immer vertraut hat. Jesus sagt Ja zu dem, was Gott von ihm will. Er ist stark. Er ist tapfer. Andere sind das nicht. Seine Freunde. Seine Jünger. Sie hauen ab. Das ist verständlich. Denn hier geht es um Leben und Tod. Sich aus dem Staub machen ist menschlich, aber nicht tapfer, sondern feige. Das gilt an erster Stelle für Petrus, den Wortführer der Apostel. Er wird gefragt: Bist du nicht auch einer von seinen Jüngern? Er antwortet: Nein. Dreimal. Die Jünger hauen ab. Und die Jüngerinnen? Sie bleiben. Zumindest in der Nähe, beim Kreuz. Tapfer. So erzählen es die ersten drei Evangelien. Anders das Johannes-Evangelium. Unter dem Kreuz stehen Maria, die Mutter von Jesus, und der Jünger, den Jesus liebte. Tapfer, nicht feige. Warum sind sie geblieben? Hatten sie keine Angst? Was hat ihnen die Kraft gegeben zu bleiben? Maria ist die Mutter. Die stärkste Verbindung zwischen zwei Menschen ist die Liebe einer Mutter zu ihrem Kind. Wie könnte Maria ihren Jesus allein lassen? Jetzt. In der größten Not? In seiner letzten Stunde? Ihr zur Seite steht der Jünger, den Jesus liebte. Tapfer. Wie könnte er seinen Meister, seinen besten Freund, Jesus, alleinlassen? Jetzt. In der größten Not? In seiner letzten Stunde? Die Liebe macht die beiden tapfer. Die Liebe ist stärker als der Tod. Und wo stehen wir? Bei den Jüngern, die abhauen? Bei den Frauen, die in der Nähe bleiben? Bei Maria und dem Lieblingsjünger unter dem Kreuz? Bei Jesus? Unserem Freund? Sind wir tapfer oder feige? Ein Trost bleibt uns: Jesus hat Petrus später verziehen, dass er ihn verraten hat. So feige. Weide meine Schafe. Weide meine Lämmer. Wir wollen gut leben. Wir halten uns an die Regeln und an die vier Kardinaltugenden. Klugheit. Gerechtigkeit. Tapferkeit. Das rechte Maß. Heute am Karfreitag war die Rede von der Tapferkeit. Gestern am Gründonnerstag habe ich über das rechte Maß gesprochen. An Ostern geht es weiter. Mit welcher Kardinaltugend?
Pfarrer Dr. Bernhard Lackner