Am 23. April 2023

erstkommunion sw

EVANGELIUM: Lk 24, 13-35

Wir wollen gut leben. Was können wir dafür tun? Wir können uns an die Regeln halten, an die Gebote. Du sollst nicht töten. Du sollst nicht die Ehe brechen. Du sollst nicht stehlen. Du sollst nicht lügen. Ehre deinen Vater und deine Mutter. Wie werden diese Regeln eigentlich begründet? Wir können Kinder fragen. Kinder spielen gerne miteinander. Dafür sind ihnen Regeln wichtig, feste Regeln, an die sich alle halten müssen. Fragt man Kinder im Vorschulalter: Warum haltet ihr euch an die Regeln, dann antworten sie: Wenn wir uns nicht an die Regeln halten, werden wir bestraft.

Wenn wir sie beachten, werden wir belohnt. Lohn und Strafe, das einfachste moralische System. Das verstehen alle Menschen und auch der beste Freund des Menschen, der Hund. Diese erste Stufe der Moral nennen wir den moralischen Realismus. Fragt man Kinder im Grundschulalter: Warum haltet ihr euch an Regeln, dann antworten sie: Weil die Mama und der Papa uns das so gesagt haben und auch die Lehrerin. Regeln gelten, weil sie von einer Autorität, zu der wir aufschauen, erlassen wurden. Diese zweite Stufe der Moral nennen wir die heteronome Moral. Fragen wir größere Kinder, warum sie sich an Regeln halten, dann antworten sie: Weil es vernünftig ist. Sie sagen: Ich putze mir jeden Tag die Zähne, nicht weil ich, wenn ich es nicht tue, bestraft werde. Mama streicht mir das Taschengeld für eine Woche. Erste Stufe. Ich putze mir die Zähne, nicht weil die Mama mir das vorgeschrieben hat. Zweite Stufe. Nein. Ich putze die Zähne, weil ich gesunde und schöne Zähne haben will, möglichst lange. Das ist die dritte Stufe der Moral, die autonome Moral. Eine Regel gilt, weil es vernünftige Gründe dafür gibt. In der klassischen Moraltheologie wurden Gebote theologisch begründet. Sie gelten, weil sie von Gott, der obersten Autorität, erlassen wurden und weil er uns bestraft, wenn wir sie übertreten. Das ist Stufe eins und zwei der Moral. Alfons Auer, Theologieprofessor in Tübingen, hat vor Jahren festgestellt: Das funktioniert so nicht mehr. Sich an Gebote halten, weil sie von Gott kommen, das finden alle gut, die an Gott glauben. Was aber ist mit den anderen? Viele glauben nicht an Gott. Sie sagen: Soll ich mich an ein Gebot halten, weil es von einem Gott kommt, den es nach meiner Überzeugung gar nicht gibt? Nein. Ich töte, ich breche die Ehe, ich stehle, ich lüge, weil es mir passt, weil es mir nützt. Gebote, Regeln, ethische Normen, sie funktionieren nur, wenn sich alle an sie halten. Das geht nur, wenn sie so begründet werden, dass alle das einsehen können, auch die Ungläubigen, auch die Atheisten. Hier brauchen wir die dritte Stufe der Moral, die autonome Moral. Soll eine bestimmte Regel gelten? Wir sammeln Argumente und wir wägen sie ab. Es helfen uns dabei die Wissenschaften, die Geschichtswissenschaften, Philosophie, Psychologie, Soziologie, Neurobiologie, Genetik. Gut begründet formulieren wir dann die Regel, die ethische Norm, das Gebot. Welche Aufgabe hat dann noch der Glaube? Er ist nicht mehr der alleinige Grund, aus dem die Regeln begründet werden. Der religiöse Glaube rahmt gleichsam diese autonom begründete Moral ein, wie der Horizont unsere Lebenswelt einrahmt. Der Glaube ist der Sinnhorizont der moralischen Werte und Normen. Der christliche Glaube und seine Theologie reden mit, wenn Regeln für das Leben formuliert werden. Der Glaube kritisiert es, wenn die Diskussion in die falsche Richtung geht, wenn Menschen Schaden nehmen. Noch eine Aufgabe hat der Glaube: Wenn das Richtige, das Gute, erkannt und formuliert ist, wird es dann auch getan? Der Glaube motiviert, das Richtige nicht nur zu erkennen, sondern es auch zu tun. Es reicht ja nicht zu sagen: Ich weiß genau, was zu tun ist. Das als richtig Erkannte muss in die Tat umgesetzt werden. Das ist oft gar nicht so leicht. Dabei hilft uns der Glaube, dabei hilft uns Gott. Er sagt uns: Ich will, dass ihr gut leben könnt. Haltet euch an die Regeln, auch wenn es schwerfällt. Gebt euch einen Ruck. Es lohnt sich.

Pfarrer Dr. Bernhard Lackner