Am 07. Mai 2023
EVANGELIUM: Joh 14,1-12
„Herr, wir wissen nicht, wohin du gehst. Wie können wir dann den Weg kennen?“ Wenn man das Ziel nicht kennt, Schwestern und Brüder, dann ist jeder Weg gleich gut. Dann kann man den Weg nehmen, der am bequemsten ist. Oder den Weg, der einem gerade am schönsten erscheint. Was aber, wenn man sich auf seinen Wanderführer verlässt? Und der Wanderführer sich mit den Worten „Ich bin dann mal weg!“ verabschiedet?
Eigentlich wollte man sich keine Gedanken über den richtigen Weg und das richtige Ziel machen. Dafür war ja der Wanderführer verantwortlich. Dafür hat man sich ihm angeschlossen. Nun steht man verloren da – wie soll es nur weitergehen? Diese Situation schildert das heutige Evangelium. Bis gerade eben war den Jüngern Jesu noch alles klar. Sie müssen nur in Jesu Nähe sein – und alles wird gut. Und dann sagt Jesus plötzlich: „Ich verlasse euch!“ Entsprechend verunsichert reagieren seine Anhänger. Das Evangelium des Johannes ist kein historischer Tatsachenbericht. Der Evangelist Johannes hat es geschrieben, um den Glauben der frühen christlichen Gemeinden an Jesus als den Christus, den Messias, zu stärken. Johannes hat das heutige Evangelium für eine verunsicherte Gemeinde geschrieben, etwa 70 Jahre nach Tod und Auferweckung Jesu Christi. Die Gemeinden warteten immer noch auf die Wiederkunft von Jesus. Er hatte es versprochen. Aber er kommt und kommt nicht wieder. Auf der anderen Seite erleben Sie Verfolgung, Spott und Häme. Haben sie wirklich auf das richtige Pferd gesetzt, wie man so schön sagt? „Euer Herz lasse sich nicht verwirren. Glaubt an Gott und glaubt an mich.“ Egal was um euch herum passiert – haltet an dem Weg der Nachfolge Jesu fest. In der Stunde eures Todes wird er euch entgegenkommen und heim zu Gott führen. Das sagt die frohe Botschaft Jesu den frühen Christen zu – und auch uns heute. „Wenn ich gegangen bin und einen Platz für euch vorbereitet habe, komme ich wieder und werde euch zu mir holen, damit auch ihr dort seid, wo ich bin.“ – so heißt es im Evangelium. Verunsicherung erleben auch wir in unseren Gemeinden. Besonders hier in Deutschland werden wir Christen immer weniger. Von manchen unserer Hirten lernen wir mehr über Kirchenrecht und Strafgesetzbuch als über das Evangelium. Ist die Verkündigung wirklich glaubwürdig? Christen werden weltweit verfolgt. Von radikalen Islamisten, von radikalen Atheisten und Autokraten. Spott und Häme haben viele von uns sicher auch schon in irgendeiner Weise erfahren. „Du bist noch in der Kirche? Und auch noch in der katholischen? Was stimmt nicht mit dir? Wie kann man heute noch an Gott glauben, bei dem was die Wissenschaft alles weiß?“ Sicher haben Sie Ähnliches schon gehört oder gelesen. „Euer Herz lasse sich nicht verwirren. Glaubt an Gott und glaubt an mich.“ Spott und Häme gilt es auszuhalten. Uns ist nichts anderes verheißen. „Für jene aber, die nicht glauben, ist dieser Stein, den die Bauleute verworfen haben, zum Eckstein geworden, zum Stein, an den man anstößt.“ So haben wir in der Lesung gehört. Solange man noch Anstoß nimmt an uns Christen, ist das nicht schlimm. Bedenklich wird es erst, wenn das Christentum belanglos wird. Wenn es niemanden mehr interessiert. Weil es sich zu sehr dieser Welt angepasst hat – und den Menschen nicht mehr Hoffnung vermitteln kann als der FC Bayern München oder die Seifenoper im Fernsehen. Oder weil das Christentum nichts anderes bietet als das Sozialamt – nämlich finanzielle Unterstützung für Bedürftige. Wichtig ist, dass wir das gemeinsame Ziel nicht aus dem Auge verlieren: Ein Leben in Fülle zu haben – im Diesseits und im Jenseits. Den Weg dorthin kennen wir. Er führt über die Nachfolge Jesu. „Niemand kommt zum Vater außer durch mich“ sagt Jesus im Evangelium. Außerhalb der Kirche kein Heil – so hat man das früher übersetzt. Manche übersetzen das immer noch so. Aber ich glaube Jesus will uns hier sagen: Der Weg zum Vater führt nicht über das kleinliche Einhalten von Regeln, wie die Pharisäer das predigten. Er führt nicht über das unhinterfragte Festhalten an alten Traditionen und Kulten, wie die Sadduzäer das wollten. „Hütet euch vor dem Sauerteig der Pharisäer und Sadduzäer“, sagt Jesus im Matthäusevangelium. Der Weg zum Vater führt auch nicht über das Anhäufen von Schätzen in dieser Welt. Sondern: Der Weg zum Vater führt darüber, dass ich meinen Nächsten im Blick habe. Dass ich Freude und Hoffnung, Trauer und Angst meiner Nächsten zu meiner Freude und Hoffnung, Trauer und Angst mache. So wie Jesus das vorgelebt hat. Wenn man das Ziel kennt, Schwestern und Brüder, dann ist eben nicht jeder Weg gleich gut. Dann kann man möglicherweise nicht den Weg nehmen, der am bequemsten ist. Oder den Weg, der einem gerade am schönsten erscheint. Stattdessen ist der Weg vielleicht auch mal steinig und anstrengend. Vielleicht wird man auch ausgelacht, weil man ausgerechnet auf diesem unbequemen Weg läuft. Aber nimmt man das nicht gerne in Kauf, wenn man fest daran glaubt, dass das Ziel es wert ist? Vertrauen wir auf unseren Wanderführer, Jesus Christus.
Diakon Markus Lubert