Am 25. Juni 2023
LESUNG: 2 Tim 4,9-22
Liebe Kinder, liebe Jugendliche, liebe erwachsene Mitfeiernde, was ist ihr Lieblingsbuch? Was ist euer Lieblingsbuch? Vor 125 Jahren wurde in Augsburg Bert Brecht geboren, deutscher Dramatiker und Dichter. Mutter Courage. Die Dreigroschenoper. Und der Haifisch, der hat Zähne, und die trägt er im Gesicht. Brecht wurde einmal gefragt: Was ist ihr Lieblingsbuch?
Er antwortete: Sie werden lachen, die Bibel. Das sagt Brecht, der Kommunist, der Materialist. Erst kommt das Fressen, dann die Moral. Brechts Lieblingsbuch ist nicht Das Kapital von Karl Marx. Kein Werk von Goethe, Schiller oder Shakespeare. Auch nicht die Mao-Bibel, sondern die echte Bibel. Was ist eigentlich mein Lieblingsbuch? Mit sechs Jahren, in der ersten Klasse, habe ich lesen gelernt. Danach habe ich alles, was mir in die Finger kam, gelesen. Mit zehn Jahren war mein Lieblingsbuch Griechische Götter- und Heldensagen. Das Buch hatte ich zur Erstkommunion geschenkt bekommen, von einer befreundeten evangelischen Familie. Heldensagen. Herakles. Zehn Aufgaben bekommt er gestellt, fast unlösbare Aufgaben. Er löst sie alle, mit Kraft, mehr noch mit Verstand. Der Krieg um die Stadt Troja. Paris, der Prinz Harry von Troja, entführt die Frau des griechischen Königs Menelaos. Der und die anderen Könige lassen sich das nicht gefallen. Sie führen Krieg gegen Troja. Zehn Jahre lang. Doch der Sieg lässt auf sich warten. Troja ist eine Festung mit hohen starken Mauern. Was tun? Odysseus, König von Ithaka, weiß, wie der Sieg errungen werden kann. Nicht mit brachialer Gewalt, sondern mit List. Das trojanische Pferd. Der erste Trojaner. Nicht digital. Sondern analog. Wie die Geschichte weiter geht? Das erzähle ich jetzt nicht. Das könnt ihr selbst nachlesen. Mit zwölf Jahren habe ich Karl May gelesen. Jeden Abend eine Stunde. Jede Woche einen Band. Das war nicht einfach. Ein Band kostete als Taschenbuch drei D-Mark. Ich bekam aber nur zwei D-Mark Taschengeld in der Woche. Was tun? Ich habe mich mit einem Freund verabredet, wer von uns welchen Band wann kauft. Dann haben wir uns die Bücher gegenseitig ausgeliehen. Karl May erzählt spannende Geschichten. Sie spielen im Orient, in der Wüste, im wilden Kurdistan, in den Schluchten des Balkan. Sie spielen in Amerika, im Wilden Westen. Die Helden heißen Winnetou und Old Shatterhand. Die kämpfen für das Gute, für die Schwachen. Sie sind Freunde, Blutsbrüder. Jeder ist bereit, für den anderen alles zu geben, sogar das eigene Leben. Wenn sie kämpfen, versuchen sie, ihre Feinde nicht zu töten. Der Name Old Shatterhand ist Programm. Er hat einen Faustschlag wie ein Hammer. Mit ihm schlägt er seinen Feind k.o. Wenn der dann wieder aufwacht, liegt er gefesselt am Boden. Er ist nicht tot. Er ist nicht schwer verletzt, aber besiegt, außer Gefecht. Karl May wird heute vorgeworfen, er habe die Angehörigen der indigenen Völker Amerikas falsch und diskriminierend dargestellt. Kulturelle Aneignung. Stimmt das? Karl Mays Romane sind Romane. Fiktiv, nicht real oder gar historisch. Für Karl May sind indigene Menschen den sogenannten Weißen nicht nur gleichwertig, sondern ihnen menschlich und moralisch überlegen. Winnetou ist eine messianische Gestalt. Den Feind schonen. Ihn als Mensch achten. Gutes tun. Für die Schwachen kämpfen. Freundschaft. Diese Werte werden hier vermittelt. Diese moralischen Werte haben mich beeindruckt, begeistert, geprägt. Später habe ich dann Theologie studiert. Ich wurde promoviert. In welchem Fach? In Moraltheologie. Gutes tun. Andere Menschen achten, auch die Feinde. Freundschaft. Diese Werte finden wir auch in der Bibel und dazu die Helden, die diese Werte leben. Eine Naturkatastrophe droht, eine verheerende Überschwemmung. Noah weiß, was zu tun ist und er tut es. Das Volk Israel wird bedrängt von einem übermächtigen Feind, Ägypten. Mose weiß, was zu tun ist und er tut es. Auch Freunde gibt es in der Bibel. David und sein bester Freund Jonathan. Jeder von ihnen würde alles für den anderen geben, sogar das eigene Leben. Jesus. Er hilft den Menschen. Er stirbt am Kreuz und was tut Gott? Er erweckt Jesus vom Tod. Er schenkt ihm neues Leben. Biblische Geschichten vom Leben. Biblische Geschichten zum Leben. Freundschaft. Gutes tun. Andere Menschen achten, ihre Würde, ihr Leben. Diese Werte und ihre Helden, wir finden sie in der Bibel. Unsere Welt, unsere Gesellschaft, unsere Kultur, sie sind geradezu imprägniert durch diese biblischen Geschichten, durch ihre moralischen Werte und ihre Helden. Die Bibel und viele andere Bücher helfen uns, diese Werte immer neu zu entdecken, sie zu schätzen, sie zu leben. Seit 50 Jahren gibt es die ökumenische Gemeindebücherei Jungingen. Das ist eine Erfolgsgeschichte. Die feiern wir heute. Wir danken allen, die in den vergangenen 50 Jahren hier in der Bücherei dafür gesorgt haben, dass Leseratten und -Leserättinnen geeignetes Futter finden, und wir danken allen, die bis heute aktiv im Büchereiteam mitarbeiten. Wir sind uns sicher: Kleine und große Leserinnen und Leser werden auch in Zukunft hier in der Bibliothek finden, was sie suchen: ihr Lieblingsbuch.
Pfarrer Dr. Bernhard Lackner