Am 30. Juli 2023

leitartikel sw

EVANGELIUM: Lk 8,1-3

Vieles wurde über mich, Maria Magdalena, im Laufe der Kirchengeschichte erzählt. Manches davon wurde hineininterpretiert von Menschen, die ein ganz besonderes Interesse hatten, mich zu diffamieren. Dabei steht in den vier Evangelien nicht viel über mich: Dass ich mit Jesus in Galiläa umhergewandert bin, zusammen mit Männern und einigen Frauen, und dass Jesus mich geheilt hat von sieben Dämonen.

Damals haben wir das Bild von Dämonen für all das verwendet, was uns besetzt, im Leben einengt, uns die Luft zum Atmen nimmt und uns innerlich krankmacht. Jesus hat keine Angst vor diesen menschlichen Leiden. Er kennt sie alle. Er hat uns damals ermutigt, unsere Schattenseiten anzuschauen, uns mit ihnen auseinanderzusetzen, sie in unser Leben mit hineinzunehmen, dass sie uns nicht mehr hindern, sondern wachsen lassen. Denn wir werden nicht heil, wenn wir innere Gefühle und Antriebe verdammen, sondern nur, wenn wir sie lieben lernen. Was bedeutet es, dass ich von sieben Dämonen befreit wurde? Ich will es euch so sagen: Sieben ist die Zahl der Vollkommenheit. Meine Heilung durch Jesus war also allumfassend. Alles, was mich vorher vom Leben abgeschnitten hatte, konnte ich Jesus anvertrauen. Als befreite Frau bin ich dann mit ihm umhergezogen. Letztlich vertieft wurde meine Heilung durch Jesu Tod und die Auferstehung, so komisch das klingen mag. Jesu Tod hat mich natürlich zunächst bis ins Mark erschüttert. Aber dann habe ich erfahren, dass Jesus lebt. Er hat mich gerufen, beim Namen genannt, und er meinte mich, ganz persönlich mich, genauso wie ich bin. Das ist mit Worten kaum zu beschreiben. Diese Erfahrung hat mich noch weiter gewandelt. Mir ist eine Kraft zugewachsen, die ich vorher nicht kannte. Als Jesus mich beim Namen rief, habe ich tief in meinem Inneren erkannt, dass Jesus mich braucht, dass er in mir und durch mich lebt. Und dass er mich beruft und sendet, den Menschen zu verkünden, dass Jesus auch in ihnen wirkt und da ist. Zu erzählen vom Leben, das niemand von uns nehmen kann, auch nicht der Tod. Und dass jeder Mensch befreit ist von allem, was ihn festlegt und festhält, befreit, Kind Gottes zu sein ohne jede Einschränkung. Das ist vollkommen ungewöhnlich für eine Frau in einer Gesellschaft, in der die Männer das Sagen haben und die Frau am besten schweigt. Trotzdem hatte ich in der frühen Gemeinde eine hohe Stellung. Den Menschen war sehr wohl bewusst, dass ich eine besondere Beziehung zu Jesus hatte. Später hat Papst Gregor I. meinen Ruf nachhaltig zerstört. Er hat aus mir eine Sünderin gemacht, voller Laster, eine Prostituierte. Das sagt mehr über ihn aus, als über mich. Erst Papst Franziskus hat mich ein Stück weit rehabilitiert. Er hat meinen Gedenktag am 22. Juli zu einem Fest erhoben und an meinen Titel „Apostelin der Apostel“ erinnert, mit dem mich unter anderem der Kirchenlehrer Thomas von Aquin bezeichnet hat. Seitdem habe ich nun ein Fest – wie die männlichen zwölf Apostel. Doch gleichzeitig gibt es immer noch die Lehre, dass Frauen nicht amtliche Nachfolgerinnen der Apostel sein können. Das verstehe, wer mag. Manche sehen in mir auch die Liebesfreundin Jesu, aber selbst das verfälscht die Wahrheit. Am besten haltet ihr euch an das, was in den Evangelien über mich steht und vor allem an den Auftrag Jesu, seine Botschaft zu verkünden. Seht in mir eine Frau, die sich in aller Freiheit für di Nachfolge Jesu entschieden hat und die erfahren durfte, dass durch Jesus das Leben heil wird und der Tod nicht das letzte Wort hat. Lasst euch von mir anstecken, an eure eigene Kraft zu glauben und euch als Frauen in der kirchlichen Gemeinschaft selbstbewusst einzubringen. Ihr allein könnt Zeugnis geben über eure Beziehung zu Jesus, über euren Glauben aus Frauenperspektive – verschweigt ihn nicht!

Kath. Frauenbund