Am 10. September 2023

leitartikel sw

EVANGELIUM: Mt 18, 15–20

Wie gehen wir eigentlich miteinander um, Schwestern und Brüder? Wie gehen wir beispielsweise damit um, wenn jemand etwas falsch gemacht hat? Uns oder jemand anderen durch sein Verhalten verletzt hat, zum Beispiel? Sprechen wir ihn darauf an? Oder tratschen und schimpfen wir hinter dem Rücken desjenigen mit anderen darüber? Was Jesus von uns erwartet, macht das heutige Evangelium sehr deutlich.

„Wenn dein Bruder sündigt, dann weise ihn unter vier Augen zurecht!“ Warum? Gut, dass Tratschen nicht besonders christlich ist, leuchtet uns vermutlich ein. Aber warum sollen wir fehlerhaftes Verhalten nicht stillschweigend auf sich beruhen lassen? Vor der heutigen Textstelle lesen wir im Matthäus-Evangelium das Gleichnis vom verlorenen Schaf: „So will auch euer himmlischer Vater nicht, dass einer von diesen Kleinen verloren geht.“ (Mt 18,14) Diese Zeile geht unmittelbar dem heutigen Text voraus. Gott will nicht, dass einer von uns verloren geht. Unser Auftrag ist es daher, füreinander zu sorgen. Dafür zu sorgen, dass keiner von uns verloren geht. Beim Propheten Ezéchiel wird das sehr drastisch ausgedrückt: „Wenn du einen Schuldigen vor seinem Weg gewarnt hast, damit er umkehrt, und er sich nicht abkehrt von seinem Weg, dann wird er seiner Sünde wegen sterben; du aber hast dein Leben gerettet.“ (Ez 33,9) Wir können niemanden zur Umkehr zwingen, aber wir sind dazu aufgerufen, eine Umkehr zu ermöglichen. Dies schulden wir einander in gegenseitiger Liebe. „Niemandem bleibt etwas schuldig, außer der gegenseitigen Liebe!“ (Röm 13,8a). So haben wir im Römerbrief gehört. Nächstenliebe zeigt sich hier ganz konkret im Umgang mit den Fehlern der anderen. Wir sollen also aus einer Haltung der Liebe heraus miteinander reden. „Mit dem Herzen sprechen“, so nennt es Papst Franziskus in seiner Botschaft zum Welttag der sozialen Kommunikationsmittel. „Wer mit dem Herzen spricht, liebt den anderen, weil er oder sie sich um ihn oder sie sorgt und seine Freiheit schützt, ohne sie zu verletzen.“, so schreibt es Papst Franziskus in seiner Botschaft. Das alles bezieht sich natürlich nicht nur auf den Umgang in der Gemeinde. Sondern das fängt schon bei uns zu Hause an: Wie gehe ich damit um, wenn meine Kinder etwas falsch gemacht haben? Schimpfe ich, oder versuche ich mit Liebe und Geduld ihnen den rechten Weg zu weisen? Wie gehe ich damit um, wenn meine Partnerin oder mein Partner etwas falsch gemacht hat? Mache ich meinem Ärger Luft und lasse die Fetzen fliegen? Oder spreche ich das in Liebe und Geduld an? Umgekehrt gilt: Wie gehe ich damit um, wenn mich jemand auf einen Fehler hinweist? Bin ich verärgert, weil mich jemand in Frage stellt? Oder nehme ich das dankbar an, dass mir jemand helfen möchte, ein besserer Mensch zu werden? Meine Frau hat sich am Anfang unserer Beziehung gewünscht, dass wir auf unserem gemeinsamen Lebensweg aneinander wachsen mögen. „Aneinander wachsen“: Das gelingt nur, wenn man das auch zulässt. Wenn man davon ausgeht: Das, was er oder sie mir jetzt sagt, ist aus Liebe gesagt – damit ich wachsen kann. Was aber, wenn ich jemanden auf Fehler hingewiesen habe, derjenige aber nicht umkehrt? Sein Verhalten nicht bessert? Wenn ich dann vielleicht auch noch zwei oder drei zu dem Gespräch hinzugezogen habe? „Dann sei er für dich wie ein Heide oder ein Zöllner“, sagt Jesus. Was heißt das? Dass ich nichts mehr mit demjenigen zu tun haben soll? Dass ich denjenigen ausgrenze? Erinnern wir uns, wie Jesus mit Zöllnern umgegangen ist. Er hat ihre Nähe gesucht. Er hat mit ihnen zusammen gegessen. „Nicht die Gesunden bedürfen des Arztes, sondern die Kranken“ (Mt 9,12b), sagt Jesus im Matthäus-Evangelium. „Dann sei er für dich wie ein Heide oder Zöllner“ heißt also einerseits: Das verlorene Schaf ist gerade nicht Teil der Herde. Es hat sich ausgegrenzt. Aber andererseits auch: Wir sollen uns weiterhin darum bemühen, das verlorene Schaf in die Herde zurückzuholen. Nun sagt Jesus im Evangelium noch: „Alles, was ihr auf Erden binden werdet, das wird auch im Himmel gebunden sein.“ Das lesen wir mehrfach in der Bibel. Die konkrete Bedeutung hängt vom Zusammenhang ab. Hier an dieser Stelle geht es um Vergebung. Was wir auf Erden vergeben, das wird auch im Himmel vergeben sein. Im Johannes-Evangelium lesen wir etwas deutlicher „Denen ihr die Sünden erlasst, denen sind sie erlassen; denen ihr sie behaltet, sind sie behalten“ (Joh 20,23). Dass und wie oft wir anderen vergeben müssen, werden wir am nächsten Sonntag hören. Wie gehen wir eigentlich miteinander um, Schwestern und Brüder? Ich muss zugeben: Es fällt mir oft ziemlich schwer, geduldig und in Liebe ein Fehlverhalten unter vier Augen anzusprechen. Und nicht zu tratschen. Mich nicht aufzuregen. Aber: Macht nicht genau das eine christliche Gemeinschaft aus. Der Umgang miteinander? Und sollten wir es daher nicht immer wieder versuchen, dieses Evangelium zu leben?

Diakon Markus Lubert