Am 14. Januar 2024

leitartikel sw

EVANGELIUM: Joh 1,35-42

„Wenn jemand zu Ihnen nach Hause kommt: Woran erkennt er, dass er bei Christen zu Besuch ist?“ Das war eine der vielen Fragen, die ich während meiner Ausbildung zum Diakon beantwortet habe. Mit dieser und anderen Fragen wurde meine Berufung geprüft. Berufung – diese Überschrift steht für mich über den heutigen Texten aus der Heiligen Schrift. Was ist eine Berufung? Was sagen uns die heutigen Texte?

Eine Voraussetzung für eine erfolgreiche Berufung ist, dass ich von Gott gehört habe. Der kleine Sámuel wird von Gott gerufen: dreimal, so haben wir in der Lesung gehört. Er hört, dass er gerufen wird. Aber er weiß nicht, dass Gott ihn ruft. Warum nicht? „Das Wort des HERRN war ihm noch nicht offenbart worden“. So heißt es in der Lesung. Seine Eltern haben ihren Sohn zur Ausbildung in den Tempel geschickt – aber offenbar haben sie ihm nicht von Gott erzählt. Das begegnet uns auch heute: Viele Eltern wissen nicht, wie sie ihre Kinder religiös erziehen können. Aber sie möchten durchaus, dass ihre Kinder den christlichen Glauben kennenlernen. Wenn ich im Taufgespräch frage: Warum möchten Sie, dass Ihr Kind getauft wird? Dann bekomme ich ganz oft zur Antwort: Wir möchten, dass unser Kind den christlichen Glauben kennenlernt. Dass es am Religionsunterricht teilnimmt. An der Erstkommunion. Wir als christliche Gemeinde können daraus lernen: Wir können nicht voraussetzen, dass christliche Eltern ihre Kinder christlich erziehen. Wir können auch nicht voraussetzen, dass die Kinder in einen christlichen Kindergarten gehen und dort eine erste Begegnung mit Jesus Christus haben. Eltern müssen heute oft den Platz im Kindergarten nehmen der frei ist, und der zu ihrer beruflichen Situation passt – wegen der Öffnungszeiten oder der Lage. Das ist dann oft ein städtischer Kindergarten – ohne religiöse Erziehung. Deshalb liegt mir die Kinderkirche so sehr am Herzen, die ich in Böfingen mit leiten darf. Hier können Kinder Jesus begegnen – spielerisch und nach ihren Bedürfnissen gestaltet. Und ich bin immer wieder dankbar, dass viele Eltern dieses Angebot mit ihren Kindern zusammen gerne annehmen. Und nach der Kinderkirche? Erstkommunionvorbereitung, Ministrantendienst, KjG, Firmvorbereitung: All das sind Orte, an denen Kinder und Jugendliche den christlichen Glauben in unserer Gemeinde kennenlernen können – und damit von Gott hören können. Orte, die uns als Gemeinde entsprechend wichtig sein sollten. Eine weitere Voraussetzung für eine erfolgreiche Berufung ist die Bereitschaft, sich rufen zu lassen. Und damit auch: Die Berufung für sich selbst zu erkennen. Der kleine Sámuel hätte sagen können: „Lass mich in Ruhe. Ich liege in meinem kuscheligen Bett und will an dieser bequemen Situation nichts ändern.“ Hat er aber nicht. Jedes Mal antwortet er. Zunächst antwortet er Eli, dann Gott. Und auch die Jünger im Evangelium sind bereit, sich rufen zu lassen. Bei ihnen ist es Johannes der Täufer, der sie auf Jesus hinweist. Daraufhin setzen sich die beiden Jünger des Johannes in Bewegung und folgen Jesus. Warum machen sie das? Warum setzen sie sich in Bewegung und bleiben nicht in ihrem gewohnten Umfeld? Die Antwort liegt in der Frage, die Jesus den beiden stellt. Lesen wir nochmal im Evangelium: „Jesus aber wandte sich um, und als er sah, dass sie ihm folgten, sagte er zu ihnen: Was sucht ihr?“ Die beiden Jünger sind auf der Suche: vielleicht auf der Suche nach einem Sinn für ihr Leben? Wir erfahren es nicht so genau. Aber eine tiefe Sehnsucht hat die beiden Jünger Jesus folgen lassen – und Jesus weiß das. Er fragt nicht: „Was wollt ihr von mir?“, sondern: „Was sucht ihr?“ Meine Karriere in der Gemeinde Zum Guten Hirten begann als Kleidungsstück. Ich las die Rolle des Mantels beim Martinsspiel des Kindergartens St. Christophorus. Kurz nachdem ich diese Rolle gelesen hatte, erhielt ich einen Anruf: „Sie haben doch neulich beim Martinsspiel mitgemacht. Wären Sie bereit für den Kirchengemeinderat zu kandidieren?“ Die Frage war nicht: „Was suchst Du?“ Sondern: „Was kannst Du für uns tun? Inzwischen weiß ich, wie schwierig es ist, Kandidatinnen und Kandidaten für den Kirchengemeinderat zu finden. Damals aber hat mich diese Frage – offen gestanden – geärgert. Kaum lässt man sich blicken, schon soll man vereinnahmt werden. Es ist eine Gratwanderung für uns als Gemeinde: Im Weinberg des Herrn gibt es viel Arbeit, aber nur wenige Arbeiter. Es gibt viel zu tun in unserer Gemeinde. Selbstverständlich sind wir für jede Unterstützung dankbar. Das heutige Evangelium erinnert uns aber daran, was unser eigentlicher Auftrag ist, wenn wir jemandem zum ersten Mal in unserer Gemeinde begegnen: Es ist die Frage: Was suchst Du? Was suchst Du für Dein Leben? Was können wir für Dich tun? Die Antwort der Jünger auf die Frage „Was sucht ihr“ lautet nun: „Wo wohnst Du?“ Die Jünger wollen nicht wissen, ob Jesus in einer Villa oder in einer schäbigen Hütte wohnt. Sie wollen wissen: Was bist Du für einer? Bist Du es wert, dass wir Dir folgen? Und auch die Antwort von Jesus ist wieder wegweisend für uns als Gemeinde, für uns als Christen. Er gibt ihnen nicht einfach zur Antwort: In Böfingen/Jungingen. Sondern er sagt: „Kommt und seht!“ Schaut euch an, was ich für einer bin. Lernt mich kennen. Und dann entscheidet selbst, ob ich es wert bin, dass ihr mir folgt. An seinen Taten sollen die Jünger Jesus messen. Taten und Worte müssen deshalb zusammenpassen. Was gibt es Schlimmeres, als wenn jemand sagt: „Ich liebe meinen Nächsten wie mich selbst“ – und dann Kinder, Jugendliche oder Erwachsene missbraucht. Oder den Missbrauch unter den Teppich kehrt? Die Täter deckt und sich nicht um die Opfer kümmert? Jesus lässt sich an seinen Taten messen – daran, wie er wohnt. Auch das ist eine Voraussetzung für eine erfolgreiche Berufung: Die Begegnung mit Jesus. Und damit die Erkenntnis: Diesem Jesus möchte ich folgen. Diese Begegnung findet heute vor allem in den Menschen statt, die Jesus selbst schon nachfolgen. In den Menschen, die ihren Glauben leben. Den Menschen, bei denen Worte und Taten im Einklang stehen. Dann kann eine Berufung erfolgreich sein. Eine Berufung dazu, selbst diesem Jesus Christus zu folgen – und den eigenen Glauben zu verkündigen, so wie es die beiden Jünger im Evangelium getan haben: „Wir haben den Messias gefunden.“ Und: „Er führte ihn zu Jesus“. Berufungen können ganz unterschiedlich sein – und damit auch die Art und Weise der Verkündigung mit unserem Leben. Das kann in der Liturgie sein: Kirchenmusik, Lektorendienst, Ministrantendienst. Das kann in der Gemeindearbeit sein: Mesnerdienst, KjG-Jugendleitung, Katechese, Kirchengemeinderat. Das kann außerhalb der Gemeinde sein: Pflegedienst, Arbeit mit armen und benachteiligten Menschen – oder etwas ganz anderes. Ich lade vor allem die Erstkommunionkinder ein: Kommt und seht. Lernt Jesus kennen. Wenn ihr mögt, macht nach der Erstkommunion bei den Ministranten oder der KjG mit. Kommt und seht, wie wir wohnen. Ach ja: Und woran erkennt Ihr Besuch, dass er bei Christen zu Besuch ist, Schwestern und Brüder?

Diakon Markus Lubert