Am 12. Januar 2025
Ich beim Umzug Ich lege das letzte Buch in den Karton und klappe ihn zu. Nehme den Edding und schreibe mit großen Buchstaben „Büro“ auf die Oberseite der Umzugskiste. Dann packe ich die Kiste und hieve sie auf den Stapel mit den anderen Büchern. Da hat sich ganz schön was angesammelt in 7 Jahren Studium und 2 Jahren Vikariat. Jetzt kommt der Großteil wieder raus aus den Regalen und rein in die Umzugskisten – der Umzug nach Böfingen steht kurz bevor.
Neben dem Kistenstapel steht eine blaue Papiertonne: Vieles ist auch hier rein gewandert – soll nicht mehr mitkommen ins neue Zuhause. Bei manchem fällt mir die Entscheidung leicht: Das muss auf jeden Fall mit nach Böfingen. Einiges liegt länger in meiner Hand – soll ich das einpacken und behalten, oder kommt es weg – weil ich es nicht mehr brauche. Und dann gibt es einiges, da fühle ich mich richtig erleichtert, als es in die Tonne wandert. Merke, wie es mir ganz leicht ums Herz wird. Prüfet alles und behaltet das Gute. So ein Umzug ist ein guter Zeitpunkt dafür. Zwangläufig muss ich alles, was ich besitze, einmal in die Hand nehmen. Ich muss mir die Frage stellen: Was brauche ich eigentlich wirklich, damit es mir gut geht? Was muss auf jeden Fall mit, damit ich mich wohl fühle? Und was soll lieber weg? Ich nehme meine Regenbogenfahne in die Hand. Die muss unbedingt mit: Mir ist wichtig, dass sich die Menschen gegenseitig zuhören und sich in ihrer Buntheit respektieren und wertschätzen. Ich packe meinen Herrnhuter Stern ein: Die Sehnsucht muss mit. Die Sehnsucht nach Gerechtigkeit und einer Welt, in der es allen Menschen gut gehen kann. Die Sehnsucht, dass Gott diese Welt zu einem besseren Ort macht. Ich lege meine kleine Ikone aus Taizé in den Umzugskarton: Auf ihr ist die Heilige Geistkraft als Vogel zu sehen. Voller Dynamik und Kraft. Auch die muss mit: Gottes Geistkraft, die mich umweht und mir Kraft gibt. Links kommt meine Frau mit einer weiteren Umzugskiste um die Ecke: Ja, auch das brauche ich: Menschen, die ich liebe und die mich lieben: Freund*innen, Familie, Gemeinschaft… Meine Frau stellt, die Kiste direkt vor mir ab: „Bei diesen Sachen kann ich mich einfach nicht entscheiden. Wie machst denn du das?“ II. Paulus: Paulus nimmt sich ein Stück Pergament, Feder und Tinte. Er schreibt der Gemeinde in Thessaloniki einen Brief. Vor nicht allzu langer Zeit war er dort und hat eine kleine christliche Gemeinde gegründet. Sie sind ihm ans Herz gewachsen – die Menschen in Thessaloniki. Doch jetzt ist er weit entfernt von ihnen. Lebt gerade in Korinth. Wann er das nächste Mal in Thessaloniki sein und die Gemeinde wiedersehen wird? Paulus weiß es nicht. Jetzt brauchen sie Hilfe – die junge Gemeinde leidet unter Anfeindung und hat viele Fragen: Wie sollen wir als Christinnen und Christen miteinander leben? Was will Gott von uns und für unser Leben? Wie sieht so ein gutes Leben überhaupt aus? Also nimmt Paulus die Feder und fängt an zu schreiben: „Weist diejenigen zurecht, die auf Kosten anderer Leben. Ermutigt die Ängstlichen, kümmert euch um die Schwachen, und habt Geduld mit allen.“ Soweit so gut – bis hier dürften wohl alle mitgehen. Paulus schreibt weiter: „Achtet darauf, dass niemand Böses mit Bösem vergilt. Bemüht euch vielmehr stets, einander und allen anderen nur Gutes zu tun. Freut euch immerzu! Betet unablässig! Dankt Gott für alles!“ Paulus ist sich klar, dass er da ganz schön viel verlangt. - Wer betet denn unablässig? - Wer ist immer dankbar und freut sich immerzu? - Wer vergilt anderen Böses mit Gutem? Paulus weiß, dass er diesen Ansprüchen selbst nicht genügt – wie oft ist er schon gescheitert? Wie oft klagt er über seine Schmerzen und ist wütend über die Menschen, die ihn auslachen. Aber Paulus sieht, wie die Welt sein könnte, wenn wir uns an Gott halten. Paulus schreibt: „Denn das ist Gottes Wille, und das hat er durch Christus Jesus für euch möglich gemacht.“ Paulus blickt auf seinen Text. Er ist noch nicht zufrieden mit seiner Antwort: Zu abstrakt und zu unkonkret. Die Gemeinde in Thessaloniki hat ganz konkrete Fragen. Muss sich mit ganz konkreten Problemen beschäftigen. Da wirken seine Antworten doch ganz schön „wischi-waschi“. Paulus denkt nach und ist sich sicher: Die besten Expert*innen für die Probleme in Thessaloniki sind doch die Menschen in Thessaloniki selbst. Er, Paulus, kennt sich dort doch gar nicht gut aus. Paulus ist überzeugt: Die Gemeinde in Thessaloniki weiß selbst, was gut ist und was schlecht. Gott hat sie befähigt selbst zu denken und selbst zu handeln. Zusammen mit Gott, mit der Heiligen Geistkraft, werden sie die richtigen Lösungen finden. „Traut Euch das zu! Gott traut euch das zu. Haltet inne, wägt ab und handelt besonnen in der Geistkraft Gottes. Paulus nimmt die Feder wieder in die Hand und schreibt: Prüft alles und behaltet das Gute.“ Den Brief beendet er mit einem Segen: Gott, der Frieden schenkt, mache euch ganz und gar zu Heiligen. Gott bewahre euch unversehrt an Geist, Seele und Körper.“ Paulus legt das Pergament zur Seite. Doch was, wenn es nicht gelingt nur das Gute zu behalten? Was, wenn mich das Schlechte zu erdrücken droht? Paulus denkt an die anstrengenden Tage – an die Beleidigungen, die er sich täglich anhören muss, und an seine Krankheit, die immer schlimmer wird: „Was ist mit alldem, was ich nicht mehr will, aber es einfach nicht losbekomme?“ III. Gott als Müllmann: (nach einem Text von Susanne Niemeyer) Als ich letztens Gott traf, fragte ich, was er macht. „Ich bin von der Müllabfuhr“, sagte er. Damit hatte ich nicht gerechnet. „Wieso“, fragte Gott, „was hast du dir denn vorgestellt?“ Ich überlegte einen Moment. „Ich dachte, du seist König. Oder Arzt. Von mir aus auch Mutter.“ Bei der Müllabfuhr zu sein ist ja eigentlich kein schöner Beruf. Man räumt den Dreck anderer Leute weg, und meistens stinkt es. Gott zuckte mit den Schultern und sagt: Einer muss es ja machen.“ Ich stelle mir das vor: Gott, der Dreckwegmacher: Gott steht Samstagabends an der Straße. Bevor es Sonntag wird und eine neue Woche beginnt. Eine Woche, in die ich nicht den Müll der alten Woche hinein zu nehmen brauche. Eine Woche, die leicht und duftend anfängt, blank gewienert und aufgeräumt. Gott sagt: „Bring den Müll runter. Nur her mit dem ganzen Dreck, dem Frust, dem Abfall, allem, was stinkt und was auf deiner Seele liegt und sie schwer macht. Prüf alles und behalte nur das Gute. Um den Rest kümmere ich mich.“ Und dann räume ich auf. So wie ich einmal die Woche die Wohnung putze, putzte ich mein Inneres. Alles, was dort in den Ecken und Winkeln vor sich hin gärt, kehre ich zusammen. Ich leere es in einen großen Sack, den ich dann zubinde und an die Straße stelle. Und Gott kommt in seiner leuchtend orangen Jacke, damit ihn jeder sehen kann und nimmt alles mit. Und ich stehe oben am Fenster und Gott winkt hinauf und ich winke zurück. Amen.
Patrick Bauer