6. Sonntag im Jahreskreis

Evangelium: Mk 1,40-45

 

Wen Jesus anrührt, der ist gerettet. Dieses Wort könnte über dem heutigen Evangelium stehen. Jesus begegnet einem Aussätzigen. Er hat Mitleid mit ihm. Er streckt seine Hand aus, berührt ihn, sagt: „Ich will es, werde rein.“ Und die Krankheit verschwindet. Ein Wunder, ein Zeichen der Macht, die von Jesus ausgeht. Ein Zeichen dafür, dass Gottes Reich da ist. Hier und jetzt. Gott will, dass Menschen Heilung und Heil erfahren. Er will, dass sie in Glück und Frieden leben können. Dieses Reich Gottes ist angekommen bei dem Mann, den Jesus von seiner Krankheit befreit.

Wen Jesus anrührt, der ist gerettet. Gilt dieses Wort nur dem Geheilten im Evangelium? Wo begegnet Jesus uns? Wo rührt er uns an? Er begegnet uns, wenn wir mit Menschen zusammen sind, die er angerührt hat. Menschen, die Gutes tun. Menschen, die z.B. Rücksicht nehmen auf andere. Rücksicht – wie das geht, das erläutert der Apostel Paulus in der heutigen Lesung. Die Christen in Korinth legen ihm eine Frage vor, ein Problem: In den heidnischen Tempeln werden Tiere geschlachtet als Opfer für die Götter. Ein Teil des Fleisches wird nachher auf dem Markt verkauft. Dürfen wir dieses Fleisch kaufen und essen? Die einen sagen: Auf keinen Fall! Wer dieses Fleisch isst, treibt Götzendienst. Er fällt vom Glauben ab. Die anderen entgegnen: Die heidnischen Götter gibt es ja gar nicht. Es sind Götzen. Deshalb ist das Fleisch aus dem Tempel ein ganz normales Lebensmittel, hochwertig, gesund und preisgünstig. Man darf es essen. Was sagt Paulus? Er folgt der letztgenannten Argumentation: Man darf es essen. Aber, der Apostel ergänzt: Wenn du Götzenopferfleisch isst und dein Bruder ärgert sich darüber, oder wenn er gar um dein Seelenheil fürchtet, dann verzichte auf das Essen! Nimm Rücksicht auf deinen Bruder, auf sein schwaches Gewissen! Versuche, dich in ihn hineinzuversetzen, in seine Gedanken, in seine Gefühle! Lass dich von seiner Sorge anrühren! Nimm Rücksicht auf ihn, weil Gott auf uns alle Rücksicht nimmt, weil er sich von uns anrühren lässt, von unserer Sorge, weil er uns begegnet, in Jesus.

Wen Jesus anrührt, der ist gerettet. Er rührt uns an. Er begegnet uns in guten Menschen. Er begegnet uns in seinem Wort. Wir hören es hier im Gottesdienst, in der Gemeinschaft der Glaubenden. Das gesprochene Wort berührt uns, ganz direkt, unmittelbar, physikalisch. Der Sprecher spricht das Wort aus. Es wird zur Schallwelle. Es strömt durch den Raum, trifft unser Ohr, versetzt das Trommelfell in Schwingung, wird umgewandelt in einen elektrischen Impuls, wird über Nervenbahnen ins Gehirn geleitet, wird dort Gedanke, Gefühl, Geist. Das gesprochene Wort berührt uns, direkt, unmittelbar, physikalisch.

Dazu eine Beobachtung: Gehirnforscher sagen: Patienten, die im Koma liegen, reagieren, wenn man sie anspricht. Wenn ein Familienangehöriger am Bett eines bewusstlosen Patienten steht und ihn anspricht, dann reagiert der Kranke, nicht äußerlich, aber seine Gehirnströme verändern sich. Er nimmt das Gehörte auf, und noch wichtiger: In dem Bereich des Gehirns, wo die Gefühle zuhause sind, werden die Gehirnströme stärker, intensiver. Der Patient freut sich. Er ist glücklich, dass er eine vertraute Stimme hört, die Stimme eines lieben Menschen. Das sollte uns zu denken geben. Davon sollten wir uns anrühren lassen, wenn darüber gesprochen wird, ob das Leben eines Menschen, der schon lange im Koma liegt, noch lebenswert ist.

Wen Jesus anrührt, der ist gerettet. Er begegnet uns. Er rührt uns an in guten Menschen, in seinem Wort und in der Gestalt des Brotes, das wir jetzt miteinander teilen.