Gottes Einladung jetzt und heute!
Evangelium: Lk 14, 15-24 (mit 1 Kor 11, 20-23)
Dieses Evangelium ist eine Provokation. Die große Einladung Gottes im Gleichnis vom Hochzeitsmahl wird am Ende fast zur Drohung. Was ist daran „Frohe Botschaft“? Wir wollen nicht vergessen: Es geht um eine Einladung. Gott lädt den Menschen ein – zur Gemeinschaft mit ihm. Im Grund ein ungeheurer Vorgang. Ein Top-Evangelium, das sich außerhalb der jüdisch-christlichen Offenbarung kaum findet. Ist es uns schon so gewohnt und gewöhnlich, dass wir gar nicht mehr darüber staunen: Gott legt Wert auf das Zusammensein mit uns Menschen. Nicht seine Marionetten oder Befehlsempfänger, seine Kreaturen sind wir, sondern Eingeladene, mit denen er Gemeinschaft haben und das Leben feiern will!
Bei Franz Kafka gibt es eine Geschichte, die wie ein Gegen-Gleichnis ist: Zu dem Türhüter kommt ein Mann und bittet um Einlass. Aber der Türhüter sagt, dass er ihn jetzt nicht einlassen könne. Später dann? fragt der Mann. Vielleicht, sagt der Türhüter. Der Mann setzt sich seitwärts vom Tor nieder und wartet und wartet. Aber er wartet vergeblich. An dem Türhüter ist nicht vorbeizukommen, und hinter dem Türhüter sieht der Mann, dass auch vor der nächsten Tür ein Türhüter steht. Sein ganzes Leben wartet der Mann, ohne dass sich etwas tut. Als er seine letzten Atemzüge tut, schließt der Türhüter das Tor vor dem Sterbenden und geht. Jesus ist in Person das Gegenbild – die personifizierte Einladung Gottes. Er verkündet sie nicht nur, er praktiziert in vielen Zeichen und Begegnungen, dass der Mensch zur Gemeinschaft mit Gott berufen ist. Das Bild vom Festmahl vermittelt am deutlichsten, was es heißt, nicht draußen zu stehen, sondern dabei zu sein. Unsere Lebensgeschichten sind von Gott so angedacht, ja die ganze Weltgeschichte ist von Gott so angelegt, dass sie auf Empfang bei ihm zulaufen. Jeder Tag ist eigentlich eine Einladung, mit ihm Kontakt aufzunehmen, seinen Rat einzuholen, ja sich geradezu seiner zu bedienen. Aber – und damit beginnt der dunkle Teil des Evangeliums: die Eingeladenen schlagen die Einladung aus. Sie haben anderes zu tun: Ihr Geschäft, der Betrieb, die Karriere – vieles wird zum Grund, die Einladung Gottes abzulehnen. Jedenfalls gibt es das dunkle Geheimnis, dass man die Einladung Gottes zum Fest des Lebens verscherzen kann. Das geht uns nur schwer hinunter. Es kann ja von so vielem abhängen, ob ein Mensch zu Gott findet, seine Einladung hört. Das Evangelium aber sagt: Der hat Gottes Einladung angenommen, der dem Ruf Gottes zur Liebe folgt. Vielleicht erschließt sich von daher die Dringlichkeit des Gleichnisses: „Jetzt ist die Zeit, jetzt ist die Stunde…“ heißt es in einem bekannten Lied. Wer nur sich selber sucht, lebt am Lebensglück vorbei und versäumt das Fest, das Gott ihm bereiten will. Es gibt ein Zu Spät im Leben. Der Dichter Twardowski schreibt einmal: „Eilen wir uns, die Menschen zu lieben, sie gehen so schnell“. Ja, es gibt „Eilsachen“ in unserem Leben, an denen sich entscheidet, ob wir Gottes Einladung annehmen oder ausschlagen: Ein lang nicht gesagtes Wort, für das jetzt die Zeit reif ist; Schritte auf andere zu, für die jetzt die Tür offen ist; ein Brief, ein Besuch, ein Mantel-Teilen jetzt… „Eilen wir uns, die Menschen zu lieben, sie gehen so schnell!“ Es gibt ein Zu spät im Leben – aber es gibt bei Gott immer noch die Gnade des Jetzt und Heute! Liebe Junginger Gemeinde! Vor 50 Jahren wurde diese Kirche geweiht. (Wer von Ihnen war damals dabei?). Für viele von Ihnen verbinden sich mit dieser Kirche prägende Erinnerungen, persönliche Lebensstationen, Glaubensstärkung, Ermutigung in Freud und Leid. Es sind letztlich nicht die Steine oder der Beton, aber unser Glaube und unsere Hoffnung braucht auch Haftpunkte, Orte, An-Halts-Punkte… Besonders sind es freilich die Menschen, denen wir hier begegnet sind und begegnen, die mit uns Gottesdienst feiern, die uns mit ihrem Glauben mittragen und ermutigen. Mit dieser Kirche verbindet sich vielleicht meine Taufe, meine Erstkommunion, meine Trauung. Und auch wenn ich irgendwann in diesen 50 Jahren hergezogen bin – ich weiß: das ist mein, das ist unser Gotteshaus. Die Türen dieser Kirche stehen jeden Tag offen – für jede(n), der kommt, um innezuhalten, vielleicht sein Herz auszuschütten, oder einfach Gott zu suchen: Ein “Haus der offenen Tür“, eine „öffentliche“ Einladung Gottes! Freilich: Auch an einem Jubiläumstag wie heute übersehen wir nicht, dass die äußeren Zahlen kleiner werden. Als diese Kirche geweiht wurde, war Zeit des Aufbruchs – nach dem gerade zu Ende gegangenen Konzil, das wir wie einen neuen Frühling der Kirche empfunden haben. Die Zeiten sind heute anders. Sind sie schlechter? Frühling, Sommer, Herbst und Winter – ist es mit der Kirche nicht wie mit den Jahreszeiten? Auch heute ist Gottes Zeit. Und auch vor 50 Jahren brauchte es die Initiative einiger, um andere in Bewegung zu bringen. Erst recht heute braucht es die, die vorangehen und Zeugnis geben und die Kirche offen halten. Der Gottesdienst der Gemeinde trägt ja immer auch die anderen mit, auch mit ihren Fragen und Zweifeln. Jede Kirche, die gebaut wird, will ein Zeichen sein für die Einladung Gottes an den Menschen. Davon spricht – ohne Worte - einfach die offene Tür und der Tisch im Zentrum des Kirchenraums. Wo ein Tisch ist, geht es um eine Einladung und um Gemeinschaft. Liebe Mitchristen! Das Thema „einladender Gott“ bekommt in unseren Tagen plötzlich eine sehr weite, ja politische Dimension: Da kommen in großer Zahl Menschen zu uns auf der Flucht vor einem immer noch andauernden mörderischen Krieg, der ihnen Angehörige weggerissen, ja ihre Existenz zerstört hat; sie suchen eine offene Tür, sie suchen Schutz vor täglicher tödlicher Bedrohung. Und sie werden freundlich aufgenommen. Unser Land zeigt sich – bis auf wenige dunkle Ausnahmen – von seiner besten Seite. Bis zum heutigen Tag engagieren sich mit großem Einsatz bewundernswert viele Helferinnen und Helfer. Aber auch Fragen, ja Ängste werden laut. Da kommen Menschen aus anderen, fremden Kulturkreisen, vor allem aus islamisch geprägten Ländern. Gar von einer drohenden „Islamisierung“ des „christlichen Abendlandes“ wird gewarnt und nach Abschottung gerufen. Seltsam, dass sich plötzlich Leute für das „christliche Abendland“ stark machen, die mit dem Christentum herzlich wenig am Hut haben. Für wirkliche Christen hierzulande wäre es ja geradezu ein Armutszeugnis, wenn sie ihren Glauben durch eine Anzahl Flüchtlinge bedroht sähen. Es ist im Gegenteil „Werbung“ für das Christentum und ein Zeichen seiner Kraft, wenn Menschen bei uns erfahren können, dass sie menschenwürdig aufgenommen sind und Schutz finden vor einem sich auf den Islam berufenden Terror, dem sie ja gerade entflohen sind! „Ich war fremd, obdachlos, verfolgt, mit dem Tod bedroht – und ihr habt mich aufgenommen“: wo das gilt, da ist „christliches Abendland“ (wenn man schon dieses Wort verwenden will), und gerade nicht da, wo man Stacheldrahtzäune hochzieht. Ja, wir können nicht alle Flüchtlinge der Welt aufnehmen. Das ist so richtig, wie wenn ich als Pfarrer sagen würde: Ich kann nicht alle Kranken besuchen. Aber heißt das: dann besuche ich eben keinen? Natürlich gibt es Probleme bei einer solch großen Aufgabe. Es gibt ja nicht nur die missachtete Einladung (wie im Evangelium), sondern auch die missbrauchte. Aber: Zum „christlichen Abendland“ gehört auch der Rechtsstaat - und der ist stark genug, etwa einem radikalen Salafisten oder Islamisten, der hier seine giftige Saat ausstreuen will, das Handwerk zu legen – und unser Rechtsstaat darf es ruhig noch zupackender tun! Ich jedenfalls habe weniger Angst vor salafistischen Predigern als etwa vor rechten Schläger-Horden oder vor brutalen Hooligans, die in unseren Stadien Randale machen. Das Bild und Gleichnis vom Festmahl und von der Einladung Gottes ist jedenfalls keine blauäugige Träumerei – es ist ein Bild für den großen Plan, den Gott für unsere Menschenwelt hat und den schon der Prophet Jesaja in Worte fasst: Der Herr der Heere wird (auf diesem Berg) für alle Völker ein Festmahl geben mit feinsten Speisen und edelsten Weinen – er zerreißt die Hülle, die alle Nationen verhüllt…“ (Jes 25,6f). An diesem Tisch hier werden wir jetzt die ‚Eucharistie feiern und damit dem Auftrag nachkommen, den Jesus seinen Jüngern gegeben hat: Sein Gedächtnis zu begehen - seine Liebe, seine Hingabe, sein offenes Herz für die Menschen bis zum Tod. Das ist viel mehr als ein frommes Ritual. Es ist vielmehr Auftrag, sich Seinem Weg anzuschließen, in Seinem Sinn Gemeinschaft zu stiften, Trennmauern zwischen Menschen zu überwinden. Das gilt natürlich zuallererst für uns Christen, für die Kirchen selbst. Das gute ökumenische Miteinander gerade hier in Jungingen durch all die Jahre ist ja ein ermutigendes Beispiel. Dieser Tisch der Eucharistie, des Abendmahls darf nicht länger Zeichen der Trennung etwa zwischen katholisch und evangelisch sein – da es doch heißt: „Ihr, die ihr von dem einen Brot esst, bildet einen Leib in Christus“! Die Gemeinschaft, die hier am Tisch gestiftet wird, ist dann aber auch ein Vorausbild der großen Einladung Gottes an alle Menschen, besonders die Bedrängten, die Verfolgten, die Trauernden. Hier feiern und empfangen wir ja DEN, der das „Brot für das Leben der Welt“ ist.
Pfarrer Thomas Keller