am 28. Januar 2018
Predigt am Auftaktgottesdienst zur Ökumenischen Woche
Lesung: Psalm 133
Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem HERRN Jesus Christus! (2. Thess.1,2) Liebe Schwestern und Brüder, Als Predigttext habe ich Ihnen heute Psalm 133 mitgebracht. Ich lese ihn nach der Einheitsübersetzung.
- Lob geschwisterlicher Eintracht auf dem Zion
- Ein Wallfahrtslied. Von David. Siehe, wie gut und wie schön ist es, wenn Brüder miteinander in Eintracht wohnen.
- Es ist wie köstliches Salböl auf dem Haupt, das hinabfließt auf den Bart, den Bart des Aaron, das hinabfließt auf den Saum seines Gewandes.
- Es ist wie der Tau des Hermon, der niederfällt auf die Berge des Zion.
- Denn dorthin hat der HERR den Segen entboten, Leben bis in die Ewigkeit.
Liebe Geschwister in Jesus Christus, „Siehe wie gut und schön ist es, wenn Brüder in Eintracht wohnen.“ So schreibt es David, der als Autor dieses Psalms benannt wird. Ob er ihn tatsächlich geschrieben hat, ist exegetisch bis heute unklar. Dennoch: die Psalmverse, die wir eben gehört haben, sie gehören zu den Grundsteinen des jüdischen und christlichen Zusammenlebens. Miteinander in Eintracht wohnen, das können übrigens nicht nur Brüder, sondern genauso gut auch Schwestern, möchte ich meinen. Insofern möchte ich sie im weiteren Kontext der Predigt gerne mitdenken, so genderaffin sind wir dann als Christinnen und Christen doch. Miteinander in Eintracht wohnen. Seit vier Monaten arbeite ich nun als Pfarrerin in der Auferstehungskirche und bin positiv überrascht, wie gut dieses in Eintracht miteinander wohnen zwischen unseren beiden Gemeinden funktioniert! Keine Selbstverständlichkeit, nein wirklich nicht. Sowohl die katholische wie auch die evangelische Kirche hat andernorts ganz andere Geschichten zu erzählen… Ein kostbarer Schatz ist es also, der da für uns bereitliegt. So kostbar, wie das Salböl des Mose, von dem unser Predigttext auch gesprochen hat. Das Salböl? Das Salböl… Mose hat Aaron, seinen Bruder, den ersten Priester an der Stiftshütte in der Wüste, mit Salböl übergossen als Zeichen des überfließenden Segens Gottes. Als spürbares Symbol der Nähe Gottes. So kostbar wie der Morgentau, der auf den Berg Zion fällt. Kostbar ist dieses „Miteinander in Eintracht und Frieden Wohnen“ auch bei uns! Das gute Miteinander bei Gottesdiensten, Festen und Aktionen. Dabei bedeutet in Eintracht beieinander zu sein überhaupt nicht, dass wir alle das gleiche denken, das Gleiche tun müssen. Im Gegenteil. Eintracht bedeutet im christlichen Sinne vor allem: ich lasse den anderen sein, wie er ist. Ich versuche ihn nicht zu drehen, zu ändern oder ihm meinen Willen aufzuzwingen. Denn das kann nur schiefgehen, das hat Jesus seinen Jüngern und damit auch uns allen immer wieder versucht zu vermitteln. Auch der Kirchenvater Augustin hat das erkannt und sehr schön formuliert. Er schrieb: Im Wesentlichen Einheit, im Zweifelhaften Freiheit, in allem Liebe. Augustinus Aurelius Das Wesentliche, das uns eint, das ist der Grund auf dem unsere Kirchengemeinden stehen, Jesus Christus selbst. Alles andere kann und soll in Freiheit geschehen. In gegenseitigem Respekt. In geschwisterlicher Liebe. „Einheit in Vielfalt“ titeln sowohl Politik als auch Theologie ganz gern. Und so falsch liegen beide damit nicht, wie ich finde. Die kommende Woche mit unseren Vortragsabenden wird uns zum Beispiel unsere Eigenheiten in punkto Abendmahl bzw. Eucharistie offenbaren. Wie machen die das denn? Könnte man sich skeptisch fragen. Oder man könnte neugierig fragen und staunen: ach so macht ihr das? Aha? Interessant. So geht’s also wohl auch… Was prägt unser Miteinander? Skepsis oder Wohlwollen? Ich erlebe meist letzteres. Wunderbar, denn: Wo wir unsere Unterschiede in dieser von Augustinus postulierten freiheitlichen und wohlwollenden Grundhaltung gegenseitig wahrnehmen, da wird die Christusnachfolge, der wir uns ja alle verschrieben haben, spürbar. Vom „be-wohnen“ spricht auch der Begriff, unter dem die kommende Woche steht. Ökumene! Hinter diesem Begriff verbirgt sich altgriechisch ἡ οἰκουμένη „das Bewohnte“, von οἰκέω oikéō ‚wohnen‘. Ökumene schließt nach der Vorstellung der Antike alles bewohnte mit ein, nicht nur Böfingen, nein die ganze Welt. Ach na ja, mag der eine oder die andere denken. Sind wir denn da so entscheidend? Ist das, was wir tun, wirklich noch so kostbar , so wichtig? Oh ja. Das ist es. Es ist wie ein Samenkorn, das keimt, das hineinwächst in die Ökumene dieser Welt. Manche Menschen sind nur für eine kurze Zeit Teil unserer Gemeinden, manche länger. Doch wo auch immer wir unseren Glauben leben, das Bewusstsein für unsere Zugehörigkeit zu einer weltweiten, konfessionsübergreifenden Gemeinschaft von Christinnen und Christen, es wird über kurz oder lang in unseren Gemeinden geprägt. Dieses Bewusstsein hilft, über unsere eigenen Häuschen hinauszuschauen. Den Blick zu weiten für die Glaubenspraxis der anderen, ohne Angst, ohne Zugzwang, es ebenso machen zu müssen. Dieses Bewusstsein: wir sind nicht allein auf dem Weg des Glaubens, das kann stärken und Halt geben. Gemeinsam lässt sich manches besser stemmen, was allein manchmal zu schwer wird. Wir spielen also da schon auch eine entscheidende Rolle! Die Eintracht, mit der wir beieinander wohnen, sie kommt aber nicht von allein. Da gehört oft viel Arbeit dazu. Arbeit im praktischen Sinn. Organisieren, Vorbereiten, Mitmachen. Aber auch Arbeit im geistlichen Sinn! Da gehört viel Mut dazu. Viel Gebet. Viel Toleranz. Viel Rücksicht und Respekt. Und wofür das alles? Mag sich der eine oder die andere jetzt fragen… Naja, möchte ich gern antworten. Gehören uns denn die Häuser, die wir be-wohnen, in denen wir Gottesdienste feiern? Wohl eher nicht, oder? Wer ist denn der Herr der Auferstehungskirche und des Guten Hirten? Unsere Bischöfe? Unsere Kirchenobersten? Oder: Ist es nicht Gott, unser Herr, selbst? Das will ich wohl meinen! Die Häuser mögen verschieden sein, der Herr ist derselbe! Also sind wir, wie wir es aus den neutestamentlichen Gleichnissen kennen, ja hier in unseren Kirchen so etwas wie die Verwalter, die Haushälter, diejenige, die das Haus des Herrn hegen und pflegen bis zu dem Tag, an dem er selbst zurück in sein Reich kommt. Und dann? Schauen wir mal, was unser Psalm 133 denjenigen verspricht, die in Eintracht beieinander wohnen: Dorthin hat der HERR den Segen entboten, Leben bis in die Ewigkeit. Nicht schlecht, oder? Segen. Leben bis in die Ewigkeit. Das ist ein Siegespreis für den es sich zu arbeiten, zu beten, zu kämpfen lohnt. In gegenseitiger, liebevoller und gelassener Anerkennung. Denn: Wir alle sind ja nur die leuchtenden Strahlen des Lichtes, das Gott selbst ist. Jeder leuchtet auf seine Weise. Doch leuchten wir gemeinsam, so verstärkt sich das Licht des Glaubens, das hineinstrahlt in unsere Welt. Miteinander leuchten, das ist der Auftrag, den wir von unserem Hausherrn erhalten haben. Das gemeinsame Suchen und Fragen, mit dem wir miteinander auf dem Weg sind, ist dabei ein wertvoller Bestandteil unseres gemeinsamen Wachsens hinein in Gottes Reich. Lasst uns also weiterhin als Geschwister in Eintracht beieinander wohnen, mit offenen Herzen und Armen füreinander, bis wir vereint sind im Reich seiner Liebe. Lassen Sie uns den reichen, überfließenden Segen unseres Gottes untereinander weitergeben, als heiliges Salböl unserer Gemeinschaft bis zum Tag, an dem uns nichts mehr trennt. Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft bewahre unsere Sinne und Herzen in Christus Jesus unserem Herrn. (Phil.4,7) Amen.