am 18. März 2018
Predigt am 5. Fastensonntag.
Lesung: 1 Jer 31, 31-34
Wie wird das Wetter am kommenden Sonntag, am Palmsonntag? Diese Frage beschäftigt uns. Denn der Gottesdienst am Palmsonntag beginnt draußen auf dem Kirchplatz. Da werden die Palmen gesegnet. Dann ziehen wir in Prozession einmal um die Kirche, aber nur, wenn das Wetter gut ist, wenn es nicht regnet. Wie wird das Wetter am Palmsonntag? Ich weiß es nicht. Ich bin doch kein Prophet! Ich bin doch kein Prophet. Dieser Satz zeigt, was wir unter einem Propheten verstehen.
Ein Prophet ist einer, der voraussagen kann, was in der Zukunft sein wird: morgen, in einer Woche, in einem Jahr. Propheten, wir kennen sie aus der Bibel: Jesaja, Jeremia, Ezechiel. Die heutige Lesung ist aus dem Buch Jeremia entnommen. Wir wollen die Texte der Bibel verstehen. Deshalb fragen wir: In welcher Form ist der biblische Text geschrieben? Das Buch Jeremia ist seiner literarischen Form nach ein Prophetenbuch. Prophetie, die Prophetenbücher sind entstanden vom 8. Jahrhundert bis zum 4. Jahrhundert vor Christus. Sie enthalten Worte, die Gott an sein Volk richtet durch seine Boten, die Propheten. Was ist ihre Aufgabe? Die Zukunft vorauszusagen? Nein, sie müssen vielmehr genau beobachten, was in der Gegenwart passiert, und eingreifen, sich einmischen, sich zu Wort melden, weil Gott es so will. Was ist passiert, damals im Jahr 600 vor Christus? Das Volk Israel war gespalten in das Nordreich Israel, mit der Hauptstadt Samaria, mit einem eigenen Tempel in Bet-El, und in das Südreich Juda, mit der Hauptstadt Jerusalem, mit dem Tempel in Jerusalem. Die Assyrer hatten das Nordreich erobert im Jahr 722. Samaria, die Hauptstadt, wurde zerstört. Die Bewohner wurden als Sklaven weggebracht. Jetzt dürfen sie wieder zurück in ihre Heimat. Aber das Volk Israel ist immer noch gespalten, zerrissen, politisch und religiös. Das gefällt Gott gar nicht. Er sagt seinem Volk durch den Propheten Jeremia: Ihr habt den Bund, den ich mit euch geschlossen habe, gebrochen, ihr Israeliten im Nordreich. Ihr habt euch losgesagt von Jerusalem, von meinem Tempel. Doch ich verzeihe euch jetzt. Ihr dürft neu beginnen, jetzt. Ich will, dass zusammenwächst, was zusammen gehört. Ich bin euer Gott. Ihr seid mein Volk, ein Volk. Da wird deutlich, was die erste Aufgabe des Propheten ist: nicht, die Zukunft vorauszusagen, sondern einzugreifen, jetzt in der Gegenwart im Auftrag Gottes. Der Prophet ist ein in seine Gegenwart verstrickter religiöser Politiker. Eingreifen, sich einmischen, sich zu Wort melden, jetzt in der Gegenwart, ausgehend vom Wort Gottes. Diesen prophetischen Auftrag haben auch wir heute, wir als Christen, wir als Kirche. Wenn Menschen leiden unter Ungerechtigkeit, unter Unfrieden. Wenn Entscheidungen zu treffen sind, damit alle gut leben können in Gerechtigkeit, in Frieden, in Wohlstand, dann dürfen und sollen wir uns einbringen, wir Christen, getragen von unserer Überzeugung, von unserem Glauben. Wir wollen die Bibel verstehen. Wir fragen: In welcher Form ist unser Text geschrieben? In der Bibel finden wir Prophetenbücher: Jesaja, Jeremia, Ezechiel. Propheten mischen sich ein in die Gegenwart, in die Politik, weil Gott es will.
Pfarrer Dr. Bernhard Lackner