am 07. Oktober 2018
Predigt am 32. Sonntag im Jahreskreis
Lesung: Hebr 9, 24-28
Evangelium: Mk 12, 38-44
Die Martinslegende: bei katolisch.de
Wir feiern heute, am 11. November, das Fest des heiligen Martin. Er ist ein populärer Heiliger. Jedes Kind kennt ihn und die Geschichten, die über ihn erzählt werden: Wie er seinen Mantel geteilt hat mit einem frierenden Bettler. Wie er sich im Gänsestall versteckt hat, als er zum Bischof gewählt werden sollte; die Gänse schnatterten und er wurde entdeckt. Martin hat als Bischof das kirchliche und das politische Leben seiner Zeit geprägt wie kein anderer. Das ist kein Wunder. Martin war erst römischer Reitersoldat und dann christlicher Bischof.
In seiner Person verbindet er gleichsam zwei Welten: Die Welt der römischen Kultur und die Welt des christlichen Glauben. Beide Welten bestimmen unser Leben bis auf den heutigen Tag. Der christliche Glaube prägt unser Leben, unsere Welt, unsere Kultur. Einige Beispiele: Die Zeitrechnung. Wir leben im Jahr 2018 nach Christi Geburt. Die Woche. Sieben Tage. Erst der Sonntag. Dann sechs Werktage. Die Feiertage. Weihnachten. Ostern. Die Menschenrechte. Jeder Mensch hat eine unantastbare Würde und unveräußerliche Grundrechte. Denn Gott hat jeden Menschen als sein Ebenbild erschaffen. Darum gilt: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst. Das steht in der Bibel. Unsere Welt ist gleichsam imprägniert vom Christentum. Durch und durch. Das geht nicht mehr raus. Ganz ähnlich verhält es sich mit dem Einfluss der römischen Kultur. Wir sind römisch-katholisch. Das Zentrum der katholischen Kirche wird üblicherweise in Rom gesehen, im Vatikan. Die Kleidung, die der katholische Priester im Gottesdienst trägt ist die Amtskleidung eines Beamten im römischen Weltreich der Antike. Über die Kirche hinaus gilt: Unsere gesamte abendländische Kultur ist wesentlich eine römische. Unser Rechtssystem und unser politisches System, beides verdanken wir den Römern. Auf dem Gymnasium habe ich neun Jahre Latein gelernt. Zuletzt zwei Jahre im Leistungskurs, also freiwillig! Latein ist meine erste Fremdsprache. Wenn man als Kind und als Jugendlicher eine Sprache lernt, dann lernt man nicht nur Wörter und Grammatik. Man nimmt auch die Lebenswelt dieser Sprache in sich auf. Bewusst und unbewusst. Beeindruckt hat mich das politische System der Römer. Schon in grauer Vorzeit haben sie ihren letzten König zum Teufel gejagt und die Republik eingeführt. Republik, res publica, die öffentliche Sache. Nicht Herrscher und Untertanen, sondern freie und gleiche Bürger. Der Staat ist ihre eigene Sache. Die Politik wird von allen verantwortet. Politische Ämter werden durch Wahlen vergeben. Es gibt nicht einen Regierungschef, sondern zwei, die Konsuln. Ihr Amt ist zeitlich begrenzt auf ein Jahr, damit keiner zu mächtig wird. Res publica. Politik ist die Sache aller. Beeindruckt hat mich das Rechtssystem der Römer. Vor dem Gesetz sind alle gleich. Wenn der Sohn eines mächtigen Politikers eine Straftat begeht, dann wird er genauso bestraft wie der einfache Bürger. Grundsätzlich gilt jeder Bürger als unschuldig und als ehrenhaft, bis eine mögliche Schuld vor Gericht bewiesen ist. In dubio pro reo. Im Zweifel für den Angeklagten. Die Unschuldsvermutung ist die Grundlage moderner Rechtsprechung bis auf den heutigen Tag. Die Unschuldsvermutung ist die Grundlage jedes menschlichen Zusammenlebens. Alles andere, Vorurteile, Vorverurteilungen, Verleumdungen, sie zerstören das Zusammenleben von Grund auf. Wir feiern heute das Fest des heiligen Martin, römischer Reitersoldat und christlicher Bischof. Unsere Welt ist geprägt von der römischen Kultur und vom christlichen Glauben. Imprägniert. Durch und durch. Das geht nicht mehr raus.
Pfarrer Dr. Bernhard Lackner