am 09. Dezember 2018

Predigt am 2. Advent
Lesung: Hosea 10,12

Am vergangenen Sonntag, dem Ersten Advent, hat das neue Kirchenjahr begonnen. In jedem Jahr geben wir uns ein Jahresthema. In den beiden vergangenen Jahren lauteten unsere Themen: Kirche am Ort – Kirche an vielen Orten gestalten, und: Wandlung der Gesellschaft – Wandlung der Kirche. Vor allem das letzte Thema, Wandlung, hat Unruhe ausgelöst. Die einen waren besorgt: Wird Wesentliches und Wichtiges in der Kirche verloren gehen, wenn sie sich wandelt? Andere sagten sich: Die Kirche wird sich eh´ nicht verändern.

Sie wird weiter machen wie bisher im alten Trott. Reformen, die längst überfällig sind, wird es nicht geben. Wandlung, ein Thema, das provoziert und inspiriert. Unser neues Jahresthema heißt: Nehmt Neuland unter den Pflug! Dieses Wort steht beim Propheten Hosea (10, 12). Der Prophet Hosea lebte im 8. Jahrhundert im Nordreich Israel. Das Königreich Israel erlebte damals einen rasanten Aufschwung. Die Wirtschaft boomte. Der Wohlstand nahm zu, doch nicht für alle. Die Reichen wurden immer reicher, die Armen immer ärmer. Kapitalismus pur. Das ist uns heute ja nicht fremd. Dazu kam: Die Israeliten beteten nicht nur zu Jahwe, dem Gott Israels. Sie verehrten auch die Götter ihrer Nachbarn, der Kanaaniter. Besonders gern hatten sie Baal, den Gott der Fruchtbarkeit und des Handels. Das passt gut zum Kapitalismus. Außenpolitisch wurde die Lage langsam gefährlich. Die Großmächte Ägypten und Assur bedrohten Israel. Der Prophet Hosea sah dies alles mit Sorge. Scharf kritisierte er die Ausbeutung der Armen, die Verehrung fremder Götter, den Götzendienst. Hosea droht: Gott wird sein Volk dafür bestrafen. Die Strafe kommt. Im Jahr 722 erobern die Assyrer das Nordreich Israel samt der Hauptstadt Samaria. Doch Gott verzeiht seinem Volk. Er schenkt ihm einen neuen Anfang, sagt Hosea. „Nehmt Neuland unter den Pflug! Es ist Zeit, den Herrn zu suchen; dann wird er kommen und Gerechtigkeit auf euch regnen lassen.“ Nehmt Neuland unter den Pflug! Das ist unser neues Jahresthema. Es steht gleichsam über der letzten Phase unseres Projekts Kirche am Ort – Kirche an vielen Orten gestalten. Wir schauen nach vorne, in die Zukunft. Was wollen wir tun? Wohin soll die Reise gehen? Wir gehen gemeinsam unseren Weg. Was ist uns dabei wichtig? Unverzichtbar? Wir erleben unsere Kirche als Ort, an dem wir Gemeinschaft erfahren, Gemeinschaft miteinander und mit Gott. Dafür wollen wir uns auch in Zukunft einsetzen. Dafür haben wir in den letzten zwei Jahren Neues begonnen. Einige Beispiele: Bei der Vorbereitung auf die Erstkommunion und auf die Firmung versuchen wir, die Kinder, die Jugendlichen und ihre Familien stärker in den Gottesdienst und in die Kirche hineinzunehmen. Es gibt eine eigene Osterfeier für Familien am Vorabend des Ostersonntags. Wir haben einen gemeinsamen Kirchenchor gegründet für Böfingen und Jungingen, und einen Kinderchor in Jungingen, der auch für Böfinger Kinder offen ist. Wir haben eine Broschüre erstellt, in der alle Initiativen der Gemeinde in Böfingen in Bild und Text dargestellt sind. Wir haben den Gemeindeflyer von Jungingen überarbeitet. Eine Gruppe des Katholischen Deutschen Frauenbundes wurde neu gegründet. Die Ökumene haben wir gestärkt. In Jungingen gibt es jetzt einen gemeinsamen Ausflug der evangelischen und der katholischen Kirchengemeinderäte und einen gemeinsamen Stand beider Kirchen beim Herbstmarkt. In Böfingen gibt es zum ersten Mal einen Stand der evangelischen Kirchengemeinde beim Christkindlesmarkt. Viele weitere Beispiele für bewährte und neue Initiativen könnte ich aufzählen. Gemeinsam gehen wir unseren Weg. Wir erleben unsere Kirche als Ort, an dem wir Gemeinschaft erfahren, Gemeinschaft miteinander und mit Gott. Auf unserem Weg lassen wir uns leiten von vier geistlichen Haltungen: Vertrauen – wir vertrauen einander. Wir vertrauen auf Gott. Wertschätzen – wir sind dankbar für die Menschen, die uns verbunden sind. Wir danken Gott. Wir sind ihm wichtig. Lassen – wir lassen die Menschen so sein, wie sie sind. Wir lassen Dinge bleiben, die keine Zukunft haben. Erwarten – wir sind gespannt, was Gott noch mit uns vorhat. Nehmt Neuland unter den Pflug!

Pfarrer Dr. Bernhard Lackner