am 06. Oktober 2019
Predigt am 27. Sonntag im Jahreskreis
Lesung: Tim 1, 6-14
„Stärke unseren Glauben.“ Die Bitte der Apostel könnte auch unsere sein. „Stärke unseren Glauben.“ Wir leben in einer Zeit, in der christlicher Glaube immer weniger das Leben prägt. Das Leben einzelner wie das der Gesellschaft. So scheint es. Von außen gesehen. Was freilich innen drin in den Menschen vorgeht, in ihrem Herzen, das möchte ich doch eher offen lassen. Da möchte ich mir kein Urteil erlauben. Ob da nicht doch mehr Religion ist, mehr Glaube, mehr Frömmigkeit?
Mehr als von außen sichtbar wird? „Stärke unseren Glauben.“ Die Bitte der Apostel hat auch heute ihre Berechtigung. Auch und gerade im Blick auf die Kirche. Im Blick auf das, was innerhalb der Kirche geschieht. Oder nicht geschieht. Freilich, bevor wir die Bitte aussprechen, müssen wir erst klären: Was ist das eigentlich, Glauben? Ein erster Antwortversuch. Glauben bedeutet: Einen Satz für wahr halten. Jemand spricht einen bestimmten Satz aus. Zum Beispiel den Satz „Gott existiert.“ Ich höre diesen Satz. Halte ihn für wahr. Stimme ihm zu. Ich glaube diesen Satz. Lange Zeit hat man vor allem dieses Verständnis von Glauben betont. Gerade wenn es um Fragen der Religion geht. Gott teilt uns bestimmte Wahrheiten mit. Das nennen wir Offenbarung. Wir hören, was er uns sagt. Stimmen dem zu. Glauben es. Glaube als Zustimmung zu einer Aussage. Als Fürwahrhalten eines Satzes, einer Botschaft. Dieses Verständnis von Offenbarung und Glaube ist wichtig und richtig. Aber, reicht es schon aus? In diesem Sinne glaubt auch der Teufel an Gott. Wenn es ihn denn gibt. Den Teufel. Auch er geht davon aus, dass Gott existiert. Trotzdem würden wir ihn kaum als Gläubigen im eigentlichen Sinne bezeichnen wollen. Glauben als Fürwahrhalten von Sätzen. Das ist uns zu wenig. Wenn die Bibel vom Glauben spricht, dann meint sie etwas anderes. Etwas Weiteres. Größeres. Wenn in der Heiligen Schrift von Offenbarung und Glaube die Rede ist, dann heißt das: Gott teilt uns mehr mit als nur eine Botschaft. Er selbst kommt uns nahe. Er selbst kommt auf uns zu. Als einer, der es gut mit uns meint. Als einer, der uns befreien und erlösen will. Als einer, dem wir Menschen ganz wichtig sind. Er möchte uns nicht nur ein paar gute Worte mit auf den Weg geben. Er will selbst bei uns sein. Weil er uns mag. Der Theologe Karl Rahner verwendet für dieses Geschehen der Offenbarung Gottes das Wort „Selbstmitteilung“. Gott teilt uns nur nicht etwas mit. Eine Botschaft, die wir zu glauben haben. Gott teilt uns sich selbst mit. Er will uns begegnen. Er will uns durch sein Dasein und sein Bei-uns-sein heilen, befreien, erlösen. In einem ganz bestimmten Menschen: in Jesus von Nazaret. Glauben bedeutet dann: Wir verlassen uns darauf, dass Gott selbst zu uns kommt. Dass er bei uns sein will. Er sagt uns seine Botschaft. Sein gutes Wort. Wir hören es. Wir stimmen ihm zu. Er selbst kommt uns entgegen. Er kommt in unsere Welt. Wir geben ihm Raum. Wir lassen ihn herein in unser Leben. Damit er bei uns wirken kann. Damit er unsere Welt erlöst, befreit, heilt und richtet. Wenn etwas bei uns in die falsche Richtung gelaufen ist, Gott wird es schon richten. Er wird es wieder in Ordnung
Pfr. Dr. Bernhard Lackner