am 21.5.2020
Lesung: Psalm 22
Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? So betet Jesus am Kreuz. Das ist seine Erfahrung: Gott, du bist mir immer so nahe gewesen. Jetzt bist du nicht mehr da. Gott, auf den ich mich immer verlassen konnte, du hast mich im Stich gelassen, verlassen. Warum? Diese Frage, hätten wir die Jesus zugetraut? Jesus, dem Sohn Gottes, dem Erlöser, dem Heiland? Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? Mit dieser Frage beginnt der Psalm 22, ein Gebet in großer Not. Seit mehr als 2000 Jahren sprechen Menschen dieses Gebet. Sie bringen ins Gebet, was sie belastet, was sie bedrängt, was ihnen Angst macht.
Der Psalm 22 gibt ihnen die Worte dafür. Doch auf den Psalm 22 folgt der Psalm 23. Wie der beginnt? Wir wissen es alle: Der Herr ist mein Hirte, nichts wird mir fehlen. Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? Ich bin von Gott verlassen. Ich bin von den Menschen verlassen. Das mag sich der eine oder die andere gedacht haben in den vergangenen Wochen: Menschen, die keine Familie haben. Menschen, die nicht durch ihren Beruf mit anderen zu tun haben, so wie ich. Menschen, die tagelang niemanden sehen, mit niemandem sprechen, von Angesicht zu Angesicht, höchstens am Telefon oder am Computer. Besser als nichts, aber halt nicht genug zum Leben. Von Gott verlassen. Wie ging es eigentlich den Jüngern damals, als Jesus sie verlassen hatte, als er ihnen genommen wurde? Jesus war gestorben, am Kreuz. Drei Tage lang herrschte Totenstille. Doch dann geschieht das Unerwartete. Frauen erzählen: Wir haben ihn gesehen. Er lebt. Er hat mit uns gesprochen. Maria von Magdala, Petrus, Johannes, Thomas und viele andere erzählen: Wir haben ihn gesehen. Jesus lässt sich sehen nach seiner Auferstehung. Seine Jüngerinnen und Jüngern haben Visionen in dieser Zeit nach Ostern, Visionen des Auferstandenen. Irgendwann nach Wochen hören diese Visionen auf. Doch die Gewissheit bleibt: Jesus lebt. Er ist bei uns, freilich nicht mehr so, wie wir ihn erlebt haben an Ostern, unmittelbar. Er ist heimgekehrt zu seinem Vater im Himmel. Christi Himmelfahrt, das feiern wir heute. Vatertag, das feiern wir heute ebenfalls. Jesus ist aufgefahren zu seinem Vater im Himmel. Ein schönes Bild. Ein Bild, in dem sich die Wahrheit unseres Glaubens ausdrückt. Dessen sind sich die Jünger damals sicher. Dessen vergewissern wir uns heute. Wie geht es weiter? Schon bald nach seiner Himmelfahrt sendet Jesus seinen Freunden den Heiligen Geist. Der Geist zeigt ihnen, wer Jesus wirklich war. Er zeigt ihnen und uns, wer Jesus wirklich ist. Er zeigt uns, was zu tun ist hier und jetzt. Der Heilige Geist, frischer Wind, wollen wir ihn reinlassen? Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? Psalm 22. Es folgt Psalm 23. Der Herr ist mein Hirte, nichts wird mir fehlen.
Pfarrer Dr. Bernhard Lackner