am 21.06.2020

Evangelium: Mt 10,26-33 

„Lass die Spatzen pfeifen.“ Sie kennen bestimmt Don Bosco. Er war einer der bedeutenden Jugendseelsorger des 19. Jahrhunderts. Was mich an ihn fasziniert ist seine Pädagogik. Ganz anders als im 19. Jahrhunderts setzt seine Form des „Erziehens“ nicht auf Druck und Gewalt, sondern auf Liebe, Religion und Vernunft. Eines seiner bekannten Worte lautet: »Fröhlich sein, Gutes tun und die Spatzen pfeifen lassen.« Anders: Fröhlichkeit, Nächstenliebe und Gelassenheit. Ist ihnen schon einmal aufgefallen, dass es im gesamten neuen Testament keine Stelle gibt, in der berichtet wird, dass Jesus lacht. Ich frage jeden neutestamentlichen Exegesen ob ihm schon eine Stelle aufgefallen ist. Bisher noch nicht. Jesus wird uns in vielen Bildern beschrieben und nahe gebracht: Als Gottes Sohn, als Freund der Sünder, als leidender Mensch, als machtvoller Heiler, als eindrucksvoller Redner.

Aber der humorvolle und fröhliche Jesus kommt in diesen Bildern nicht vor. Ich glaube aber schon das Jesus ein humorvoller Mensch gewesen ist. Die „Spatzenpredigt“ wäre für mich so ein Beispiel für seinen Humor. Denn es geht in dem heutigen Text um Gelassenheit und Humor ist ein Weg zur Gelassenheit. Gelassenheit ist eine wichtige Tugend. Sie wird aber von Jesus hier nicht in einem feierlichen, ernsthaften Ton, wie wir es bei Tugenden gewohnt sind, sondern eher mit einem humorvollen Augenzwinkern --- verkündigt --- Stellen Sie sich Jesus leibhaftig vor, wie er diese Worte sagt: „Ihr seid mehr wert als viele Spatzen und ein paar Haare auf dem Kopf“. Humor ist schon eine gewisse Art der Gelassenheit. Denn Humor versucht über den Dingen zu stehen oder sie augenzwinkernd zu relativieren. Humor hilft, dass wir Menschen auch mit schwierigen oder gar auswegslosen Situationen umzugehen. Gelassenheit entsteht im Loslassen dessen, was uns belastet und niederdrücken möchte. Wir nehmen dann die Dinge und Ereignisse nicht ernster und wichtiger, als sie sind. Loslassen können wir nur im Vertrauen auf den, der alles in seinen Händen hält. Also: Gelassenheit aus Gottvertrauen. In diesem Vertrauen gründet auch der rechte Humor. Vom Galgenhumor dessen, der auf dem Weg zu seinem Richtplatz stolpert und dabei bemerkt, »die Woche fängt ja schon gut an«, soll hier nicht die Rede sein. Angst und Aufgeregtheit, Sorge und Termindruck, Sicherheitsdenken und Unsicherheit, lückenlose Planung und Aktionismus, das alles signalisiert mangelndes Vertrauen. Jesus könnte gegen diese Menschlichkeiten ernsthaft und mit erhobenem Zeigefinger angehen, aber er wählt lieber zwei Spatzen aus, die auf dem Markt für ein paar Cent zu bekommen sind. Jesus stellt die aufgeblasenen Sorgen der Menschen und die munter pfeifenden Spatzen unter die gleiche gütige Hand des Vaters im Himmel. Wem das noch nicht genügt, der erfährt, dass sogar alle Haare auf dem Kopf gezählt sind. Die Frage, wer die Haare gezählt hat, erübrigt sich: Gott sorgt sich um alles. Um die Haare auf dem Kopf, um Spatzen auf dem Dach, um die Blumen auf dem Feld. Sollte er sich nicht erst recht um seiner Kinder sorgen, die er lieb hat? Auch wenn nicht geschrieben steht, dass Jesus lachte, so sehen wir ihn vor unserem inneren Auge lächeln, wenn er sagt: „Ihr seid mehr wert als viele Spatzen und die Haare auf dem Kopf“. Das ist auch so eine Erfahrung, die jene, die mit ihm gehen, machen durften: Seine Botschaft kommt nicht mit gestelzter Heiligkeit daher, sondern in fröhlichen Farben und in humorvollen Bildern. Schließlich gilt für Jesus nicht: Humor ist, wenn man trotzdem Lacht, sondern der Humor ist die eleganteste Art, jene falsche Ängstlichkeit und Furcht zu bekämpfen, die wir Menschenfurcht nennen. Nicht um sonst geben wir uns gelegentlich den Rat, uns einen Menschen, der sich für sehr wichtig hält, einen Präsidenten, einen Bischof oder sonst einen Wichtigtuer sich in Unterhosen vorzustellen. Dann ist alle Überheblichkeit, dann ist alle falsche Würde schnell beim Teufel. Jesus macht es genauso mit unseren Ängsten und Sorgen: Er vergleicht sie statt mit langen Unterhosen, die es damals noch nicht gab, mit wertlosen Spatzen und den ausgegangen Haaren. Ausgerechnet mit Spatzen und den spärlichen Haaren auf unseren Köpfen bringt er uns die Gottesfurcht nahe als Grundlage jedes Vertrauens: Menschenfurcht und Gottesfurcht stehen im umgekehrten Verhältnis zueinander. Wenn die Angst vor den Menschen steigt, verschwindet die Ehrfurcht vor Gott. Unser Respekt, unser Vertrauen in Gott lässt dagegen unsere Menschfurcht, lässt unser enges und kleinkariertes Sorgenbild billig und bescheiden werden wie eine Hand voll Spatzen. Machen wir die Fenster und Türen auf, hören wir wie die Spatzen pfeifen und lassen frischen Wind herein. [Inspiriert von der Predigt von Roland Breitenbach]

Pastoralreferent Niels Materne