am 19. Juli 2020
Evangelium: Mt 13, 24-43
Es regnet zu wenig bei uns. Die letzten Sommer waren zu trocken. Das ist nicht gut für die Landwirtschaft. Auch die Hobbygärtner freut es nicht, wenn es wochenlang nicht regnet. Denn dann müssen sie gießen. Noch etwas anderes ist ärgerlich. Das Unkraut wächst und es kann nicht gejätet werden, wenn der Boden trocken ist und steinhart. Da brechen die Halme, wenn man sie aus der Erde ziehen will. Die Wurzeln bleiben stecken. Unkraut jäten, darum geht es auch heute im Evangelium, freilich im übertragenen Sinne. Unkraut gibt es auch im Leben zwischen den Menschen. Unkraut wächst mitten unter dem Weizen. Jesus rät: Wir sollen das Unkraut nicht ausreißen. Warum? Weil sonst auch der Weizen ausgerissen wird. Wir sollen warten bis zur Ernte. Erst dann wird das Unkraut vernichtet und der Weizen in die Scheune gebracht. Unkraut nicht ausreißen, warten. Hält sich Jesus selbst an seine Anweisung?
Er sieht die Händler und die Geldwechsler im Tempel, wie sie da ihre Geschäfte machen: Unkraut. Was tun? Abwarten? Zuschauen? Nein. Jesus packt der Zorn, heiliger Zorn. Er treibt die Händler hinaus. Die Tische der Wechsler wirft er um. Unkraut im Verhalten von Menschen: Ein Fahrgast in der Straßenbahn wird angepöbelt, weil er eine etwas dunklere Hautfarbe hat und weil er Deutsch mit leichtem Akzent spricht. Dieses Anpöbeln, dieses verletzende Verhalten gegen einen Menschen, der ein bisschen anders ist, das ist wie Unkraut. Sollen wir da zusehen? Abwarten? Nichts tun? Es gilt zu unterscheiden. Es gibt Situationen, da muss das Unkraut entfernt werden, sofort, entschlossen. Manchmal allerdings ist es besser, abzuwarten. Warum? Weil auch Gott abwartet, weil er Geduld hat mit uns. Manchmal ist es besser zu warten. Warum? Weil wir es gar nicht genau wissen: Ist das wirklich Unkraut? Manche sagen: Unkraut gibt es gar nicht. Jede Pflanze ist irgendwie nützlich und wertvoll. Jede Sache hat zwei Seiten. Ein Beispiel ist der Zorn. Menschen ärgern sich. Sie rasten aus. Sie gehen an die Decke. Sie werden ausfällig. Früher habe ich gedacht: So was kann mir nicht passieren. Ich war fast ein bisschen amüsiert, wenn einer meiner älteren Pfarrerskollegen lautstark gewettert hat bei jeder Gelegenheit. Wer wird denn gleich in die Luft gehen? Und jetzt? Ich habe nicht mehr die Nerven, die ich vor 30 Jahren hatte. Liegts am Alter? Der Zorn. Die Mönche der ersten Jahrhunderte leben in der Wüste in Ägypten. Für sie ist der Zorn ein Laster. Er stört das Leben der Menschen, ja, er zerstört es. Was kann man dagegen tun? Auch der Zorn hat eine zweite Seite. Da steckt so viel Energie drin, Tatkraft, Mut, Durchsetzungsfähigkeit. Damit kann man Probleme lösen, Schlechtes zum Guten wenden. Da geht was, wenn die Energie, die in der Aggression steckt, bewusst und verantwortlich gesteuert wird, achtsam, vorsichtig, ohne jemanden zu verletzen. Der Zorn, das Heilmittel dagegen ist die Barmherzigkeit. Barmherzig sein, Verständnis aufbringen für den anderen Menschen und seine Fehler. Barmherzig sein, Verständnis aufbringen für die eigenen Schwächen und Fehler. Warum? Weil Gott barmherzig ist, weil er Verständnis hat für uns Menschen und für unsere Macken. Er weiß es: Wir Menschen haben zwei Seiten. Da ist nicht nur die dunkle Seite, Fehler, Schwächen, sondern auch die helle, das Gute in unserem Herzen, in unserem Leben. Wir sind seine Kinder, ihm ähnlich. Deshalb rät uns Jesus: Lasst das Unkraut wachsen. Reißt es nicht aus. Am Ende bleibt der Weizen.
Pfarrer Dr. Bernhard Lackner