am 16. August 2020
Lesung: Offb 11, 19a; 12, 1-6a.10ab
Abiturienten wählen gerne für ihre Abschlussprüfung das Fach Religion. Alle, die das tun, kennen ihn: Ludwig Feuerbach, deutscher Philosoph im 19. Jahrhundert. Feuerbach sagt: Gott existiert nicht. Wir Menschen haben uns Gott ausgedacht. Warum? Wir erleben uns als Wesen, die Fehler und Mängel haben. Wir wünschen uns aber, dass es wenigstens ein Wesen gibt, das in jeder Hinsicht perfekt ist, ideal: Gott. Wir wissen vieles nicht. Gott ist allwissend.
Wir sind oft machtlos, ausgeliefert an andere und an die Natur. Gott ist allmächtig. Wir sind sterblich. Gott ist unsterblich. Unsere eigene Unzulänglichkeit projizieren wir auf eine höhere Ebene und erschaffen dort das perfekte Wesen: Gott. Der Mensch schuf Gott nach seinem Bild. Sagt Ludwig Feuerbach. Hat er Recht? Feuerbach erklärt brillant, wie unsere Bilder von Gott entstehen. Ob Gott aber tatsächlich existiert oder nicht existiert, darüber sagt seine Projektionstheorie nichts. Bilder von Gott, es gibt unzählige. Für Jesus ist Gott vor allem der Vater. Er sorgt für seine Familie. Er liebt seine Kinder. In der Bibel und im Glaubensbekenntnis erscheint Gott als der Allmächtige, der Schöpfer des Himmels und der Erde. Er regiert die Welt wie ein König. Er residiert im Himmel auf einem prächtigen Thron, umgeben von den himmlischen Heerscharen, den Cherubim und den Seraphim, wie ein orientalischer Großkönig, der Pharao, der Großkönig von Babylon, von Assur, von Persien, umgeben von seiner Leibwache, von seinen Soldaten, seinen Hofbeamten, seiner Dienerschaft. Wir feiern heute das Fest der Aufnahme Mariens in den Himmel. Jesus nimmt seine Mutter am Ende ihres irdischen Lebens in den Himmel auf. Dort krönt er sie zur Königin. Jesus, der dich, o Jungfrau, in den Himmel aufgenommen hat. Jesus, der dich, o Jungfrau im Himmel gekrönt hat. So beten wir im glorreichen Rosenkranz. Da ist es schon wieder: Das Bild vom orientalischen Großkönig und seiner Königin. Doch in Verbindung mit Maria kennen wir auch andere Bilder, vor allem dieses: Maria als junge Mutter. Ganz nah bei sich hat sie das Jesuskind. Der kleine Jesus weiß sich bei seiner Mutter geborgen, beschützt, geliebt. Psychologen sagen uns: Die engste Verbindung zwischen zwei Menschen, das ist die Liebe der Mutter zu ihrem Kind. Maria und das Jesuskind, das ist bemerkenswert: Gott als kleiner Junge, der sich an seine Mama kuschelt. Was ist das für ein Gottesbild? Was sagt uns dieses Bild über Maria? Was sagt es uns über die Rolle und Bedeutung der Frau? Es lohnt sich, darüber nachzudenken.
Pfarrer Dr. Bernhard Lackner