Simon der Zelot
Von den meisten der 12 Apostel wissen wir sehr wenig. Der innere Zirkel Jesu bestand aus Petrus, Jakobus und Johannes. Petrus ist uns wohl am besten vertraut. Er war der Sprecher der Zwölf. Andreas war der Bruder, der Petrus zu Jesus brachte, aber ab dann eine untergeordnete Rolle spielt. Andreas und Petrus mit Jakobus und Johannes haben im Fischereigeschäft gemeinsam gearbeitet. Jakobus war der erste Märtyrer der Apostel, während sein Bruder Johannes, laut Kirchengeschichte, der einzige Apostel war, der kein Märtyrer wurde. Simon der Zelot und Matthäus waren auf extrem entgegengesetzten politischen Polen. Die Zeloten kämpften gegen die römische Besatzungsmacht. Simon war bereit für sein Land zu sterben. Matthäus hingegen war als Zöllner und Steuereintreiber Handlanger der Römer
Simon der Zelot ist der Apostel, über den wir am wenigsten wissen. In den Evangelien wird er nur dreimal, am Rande, erwähnt. In Mt 10 und Mk 3 wird er bei der Berufung der Apostel als Simon der Kanaanäer aufgeführt, in Lukas 6 als Simon der Zelot (Zelot und Kanaanäerhaben im Hebräischen die gleiche Bedeutung).
Judas Thaddäus und Simon der Zelot, die in der katholischen Kirche gewöhnlich gemeinsam verehrt werden, gelten als Brüder Jakobs des Jüngeren und nach dem im Mittelalter verbreiteten Stammbaum der "Heiligen Sippe" als die Vettern Jesu, Jakobs des Älteren und des Evangelisten Johannes, mit denen sie die Großmutter Anna gemeinsam haben. Dagegen setzt in der neueren und wissenschaftlichen Exegese immer häufiger die Auffassung durch, dass auch Simon und Judas Thaddäus leibliche Brüder Jesu waren, ebenso "Jakobus der Gerechte" (siehe dazu im Juni 2016 Petrus und Paulus, die Superapostel). Wenn und weil man dagegen an der rein biologisch-materialistischen Deutung der „immerwährenden Jungfräulichkeit Mariens“ festhält, kann Jesus keine Geschwister mehr gehabt haben, nur Vettern…
Um die Worte und Taten Jesu besser verstehen zu können, ist es hilfreich, sie auf dem Hintergrund des damaligen religiösen und politischen Hintergrunds zu deuten. Die Menschen in Israel litten unter einer doppelten Ausbeutung und Unterdrückung: Seitens der römischen Besatzungsmacht, die unbarmherzig und gewaltsam sehr hohe Abgaben (Steuern) eintrieb und seitens der eigenen Priesterschaft. In ihrer Not suchten die Menschen immer mehr Zuflucht in ihrer Religion und ihren religiösen Führern, die nun ihrerseits die Situation ausnutzten, um hohe Steuern und Abgaben für die Tempeldienste (u.a. Reinigungs- und Opferrituale) zu verlangen. Zudem arbeiteten sie mit den Römern zusammen. Im Volk wuchs daher die Sehnsucht nach dem verheißenen Messias, der alldem ein Ende bereiten sollte. Doch es gab völlig verschiedene Messiaserwartungen. Die wichtigsten seien hier genannt.
- Die Essener: Sie erwarteten die baldige Ankunft eines Messias, der im Endkampf zwischen Gut und Böse (den „Mächten des Himmels und der Hölle“) das Böse – auch die Römer und die Tempelpriester - endgültig vernichtet und die Gerechten belohnt. Gerettet werden nur auserwählte Gerechte, 144.000 an der Zahl. In der Praxis bedeutete dies, sich völlig aus dieser Welt zurückzuziehen und durch strenge Bußübungen, Gebet und Reinigungsrituale Gottes Wohlgefallen zu erlangen.
- Die Pharisäer und Schriftgelehrten: Für sie war es das Wichtigste, alle religiösen Gesetze strengstens einzuhalten. Das Gesetz ist wichtiger als der Mensch. Durch strenge Befolgung der Gebote Gottes (bzw. dessen, was sie als Gebote Gottes definierten) hofften sie, Gott gnädig zu stimmen. Erst wenn möglichst alle Juden die göttlichen Gebote befolgen, wird Gott sich seines Volkes erbarmen und den verheißenen Messias schicken und ihr Elend beenden.
- Die Zeloten: Es handelte sich um eine Befreiungsbewegung, die sich speziell gegen die römische Besatzung in Israel richtete. Ihr Gründer und erster Anführer war Judas, der Galiläer (Apg. 5,37). Er hielt es für frevelhaft, außer Gott auch noch einem Sterblichen als Herrscher zu huldigen. Darum weigerte er sich, die römische Kopfsteuer zu entrichten. Er und viele seiner Anhänger wurden im Jahre 6 nach Chr. von den Römern gekreuzigt. Dennoch wuchs im Laufe der Jahre ihre Anhängerschaft bis sie schließlich im großen Volksaufstand von 66 - 70 nach Chr. endgültig besiegt wurden. Der Tempel wurde von den Römern zerstört und Tausende Juden als Sklaven in Rom verkauft. Israel hörte auf zu existieren. (Evangelien und Apostelgeschichte wurden erst danach geschrieben und auch von daher zu deuten).
Das Zentrum des Widerstands gegen die Römer (und unter Umständen gegen die eigene Theokratie) war Galiläa. Jesus und alle Apostel stammen aus Galiläa. Es gilt als sehr wahrscheinlich, dass einige Apostel und Jünger Jesu den Zeloten sehr nahe standen und bis zuletzt glaubten, dass mit Jesus die Zeit der Befreiung gekommen sei. Auch die Römer hielten Jesus für einen Aufrührer und daher wurde er als „Rebell gegen Rom“ zum Tod am Kreuz verurteilt - denn nur Rebellen wurden gekreuzigt.
Doch Jesu Vorstellungen von dem Beginn einer neuen Zeit, dem Kommen des Reiches Gottes,widersprachen vollkommen den genannten Messiaserwartungen. Nicht das Gesetz und stures Befolgen der Gebote machen die Menschen frei, nicht die Flucht aus dieser Welt und erstrecht nicht Gewalt und Terror führen zu einer gerechteren Gesellschaft, sondern bedingungslose Liebe und Hingabe. Seine Jünger verstanden dies bis zuletzt nicht, selbst Petrus verleugnete ihn und sie gingen völlig enttäuscht nach Haus (siehe die Emmausgeschichte, Lk 24). Erst allmählich begriffen sie - und vor allem die Frauen - dass seine Botschaft und seine Hingabe um der Gerechtigkeit willen der Weg ist, den wir berufen sind zu gehen. Die Jünger*innen entdeckten die wahre Mission Jesu und sie erkannten ihn erst, als er mit ihnen das Brot teilte.
Wenn auch wir lernen das Brot zu teilen, besonders mit denjenigen, denen das tägliche Brot vorenthalten wird (will heißen, die nicht all das haben, was man für ein Leben in Würde braucht), dann sind wir auf dem richtigen Weg und werden so zu einem Zeichen der Hoffnung in dieser Welt.
Wir werden dann auch erfahren, dass die Botschaft Jesu aktueller ist als je zuvor. Denn wer sonst könnte im Einsatz für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung authentischer voran gehen als wir Christen? Und ist heute - global betrachtet, zumal aus der Perspektive „von den Rändern der Welt“ - die Situation so total anders …?
„Wir müssen die Würde des Menschen wieder ins Zentrum rücken und dann auf diesem Pfeiler die alternativen gesellschaftlichen Strukturen errichten, die wir brauchen. Hartnäckig sein, aber ohne Fanatismus. Leidenschaftlich, aber ohne Gewalt. Wir brauchen dazu viel Mut, aber auch Intelligenz. Wir Christen haben etwas sehr Schönes, eine ´Gebrauchsanweisung´, ein revolutionäres Programm gewissermaßen. Ich rate euch sehr, es zu lesen….!“ (aus der Ansprache von Papst Franziskus auf dem „Welttreffen der Volksbewegungen“, 28.10.14, eig. Übersetzung).
Willi Knecht (siehe auch: Petrus und Paulus, die Superapostel)
Apostel Judas Thaddäus
· Gedenktag: 28. Oktober ( in kath., evang., anglik., ), 19. Juni (Ostkirche), schon im Martyrologikum Hieronymianum genannt , zusammen mit dem Apostel Simon d. Zeloten, weil beide gemeinsam im arabischen Raum missioniert haben sollen und im heutigen Persien gleichzeitig wegen ihrer Glaubensverkündigung ermordet worden sein.
· Der Name bedeutet: „Judas“- Gott sei gelobt, „Thaddäus“ – der Beherzte, der Mutige. „Judas“ ist die griech. Form des hebr. Namens „Jud“-nach dem Stamm Juda, benannt nach „Juda“, dem vierten Sohn von Jakob und Lea.
· Im NT finden sich nur wenige Aussagen zu Judas Thaddäus. Die Namen-Nennung in der Apostelliste der Berufung aus der Jüngerschaft:
beiMk. 3,13-19: - auf dem Berg – „Thaddäus“ (an 10. Stelle),
Mt. 10,1-4: „Thaddäus“ oder „Lebbäus“ (an 11. Stelle),
Lk. 6,12-16 – auf dem Berg – hier genannt: „Judas, der Sohn des Jakobus (an 11. Stelle).
Bei Joh. 14,22 wird beim Letzten Abendmahl ein Apostel „Judas“ genannt, ausdrücklich nicht
Judas Iskariot.“ Dieser andere Judas fragt Jesus, „Herr, warum willst du dich nur uns
offenbaren und nicht der Welt?“ ( – Offenbar will Johannes eine Klarstellung zum Namen
„Judas“, der belastet ist von „ Judas Iskariot.)“
In Apg. 1,13 heißt es: Nach der Aufnahme Jesu- Christi in den „Himmel“…: „...kehrten sie vom
Ölberg…nach Jerusalem zurück…“, dabei genannt : „Judas, der Sohn des Jakobus“(- an letzter
Stelle).
Ob der Judas-Brief (letzter der Katholischen Briefe) auf den Apostel Judas Thaddäus zurück-
geht, ist umstritten. Der Autor nennt sich in der Einleitung „Judas, Diener Christi, Bruder des
Jakobus.“
Die Namensnennung im Neuen Testament ist also unterschiedlich. Möglicherweise werden,
wie auch bei anderen biblischen Personen, in „Judas Thaddäus“ mehrere historische Personen
zu einer Gestalt verbunden, wobei „Judas Iskariot“ deutlich davon getrennt wird.
Ob für das apokryphe Judas-Evangelium Judas Thaddäus als Autor steht, ist offen.
· Es gibt dagegen viele Überlieferungen, z.B. in der Abgar-Legende und der Legenda Aurea:
Danach ist Judas Thaddäus ein Verwandter Jesu. Sein Vater wäre Alphäus oder Kleophas,
der wegen des Bekenntnisses zum auferstandenen Christus ermordet wurde, er sei ein
Bruder des hl. Josefs gewesen. Seine Mutter wäre Maria Kleophä, im Evangelium genannt
als Schwester/Verwandte der Mutter Maria, sie habe unter dem Kreuz Jesu ausgehalten und
sich um die Salbung des Leichnams gesorgt. Sein Bruder wäre der Apostel Jakobus d. J., der spätere Bischof von Jerusalem. Vor seiner Berufung zum Apostel sei er Landwirt gewesen, verheiratet mit einer Maria, seine Enkel seien wegen des Glaubens unter Kaiser
Diokletian verfolgt worden. Weitere Verwandte wären Maria Salome (Mutter der Apostel Johannes und Jakobus d.Ä.) und Maria Johannis (Mutter des Evangelisten Markus) danach hätten sich wohl Jesus und Judas Thaddäus von Kindheit an gekannt.
· Die Missionstätigkeit des Judas Thaddäus unter Leiden und Verfolgung wird benannt in:
Judäa, Samaria, Ilumäa, Armenien, besonders aber in Mesopotamien (Persien, heute Iran),
wohin ihn der Apostel Thomas entsandt habe, zusammen mit dem Apostel Simon dem Zeloten. Dort habe er „unbändigen Völkern, die eine Natur wie wilde Tiere hatten,“ bessere Sitten gelehrt und den Glauben an Christus Jesus verkündet. Der König Abgar von Edessa (Babylonien), krank an Aussatz, sei durch Fürbitte und Handauflegung von Judas Thaddäus geheilt worden und habe sich mit seinem Hofstaat taufen lassen. Der König wollte sich ein Bild von Christus, von dem er ja eigentlich geheilt wurde, malen lassen; der Maler, von Glanz geblendet, konnte nicht weiter malen, weshalb Gott selbst das Bild vollendet habe.
· Gestorben als Märtyrer. Eine große Wundermacht und die Predigt gegen Zauberei habe aus Hass der heidnischen Priester und Zauberer zu einem Aufstand geführt, bei dem Simon und Judas Thaddäus ermordet wurden, Simon mit einer Säge, Judas Thaddäus mit Keule oder Beil oder Hellebarde oder Schwert. Der König habe die Leichname suchen und in Babylon bestatten und darüber eine Kirche bauen lassen.
Nach armenischer Überlieferung soll Judas Thaddäus zusammen mit dem Apostel Bartholomäus in Armenien missioniert haben und in dem von ihm 66 n. Chr. gegründeten Kloster St. Thaddäus beigesetzt sein.
Andere Überlieferungen sagen, die sterblichen Überreste von Judas Thaddäus seien über Jerusalem nach Toulouse (F) und später nach Rom gebracht worden. Im Petersdom wird das Grab von Judas Thaddäus verehrt. Wie oft im MA üblich, wurden im Petersdom Gebeinteile gehoben und als Reliquien vergeben, so nach Padua, Monte Cassino, Lissabon, Flovigny (F), in Deutschland nach Altötting, Bad Hersfeld, Goslar.
· Die Verehrung des Apostels Judas Thaddäus war zunächst stärker verbreitet in Armenien, auch in Russland und Polen, weniger in Westeuropa, hier litt sie wohl darunter, dass Judas Thaddäus oft mit Judas Iskariot verwechselt wurde.
Große Verehrer waren:
Bernhard von Clairvaux (12. Jh.). Er trug immer eine Reliquie bei sich und ordnete an, diese solle ihm nach seinem Sterben auf die Brust und mit ins Grab gelegt werden, „damit ich auch im Tode nicht ganz ohne jenen sei, an welchem ich in meinem Leben einen starken Beschützer und großen Helfer in allen Anliegen gefunden habe.“
Die hl. Brigitta von Schweden (12. Jh.). In einer von ihr schriftlich berichteten Vision habe Jesus sie angewiesen, sich in großem Vertrauen an Judas Thaddäus zu wenden.
Eine verstärkte Verehrung setzte zu Beginn des 19. Jh. ein: in Österreich, Italien, Spanien, Lateinamerika besonders in Mexiko, in USA, in Deutschland in St. Märgen/ N-Schwarzwald (wohin Prof. Husserl mit Edith Stein oft gepilgert ist), in Goslar (dort Stadt-Heiliger und Dom-Patron). Für wenige Kirchen wurde Judas Thaddäus zum Patron gewählt, wie im Dom zu Goslar.
· In der Darstellung der Kunst:
Bei Apostel-Gruppenbildern fehlt Judas Thaddäus oft, weshalb er auch „der verdrängte Apostel“ genannt wird, möglicherweise wegen der Verwechslung mit Judas Iskariot und/oder der Einbeziehung von Paulus in das Apostel-Kollegium.
Verschiedene Attribute deuten auf sein Wirken und Sterben: mit einem Christusbild in Händen (Mission an König Abgar), mit zertretenem Götzenbild zu seinen Füßen (Kampf gegen Götzenglauben), mit Keule (!), Beil, Hellebarde, Schwert (unterschiedlich überlieferte Ermordungsweisen).
Als Fürbitter und Nothelfer angerufen in schweren Anliegen, wo nach menschlichem Ermessen keine Hoffnung und Hilfe war oder ist: bei schweren Anfechtungen, bösen Gedanken und Gewohnheiten, in Ängsten und Betrübnissen, in Verzweiflung, bei Depressionen, aber auch bei Gerichtsangelegenheiten, im Studium, bei Geldnöten, bei schweren Krankheiten besonders bei Augenleiden, als Beistand im Sterben. (- Warum dabei gerade Judas Thaddäus angerufen wird - ?)
Als Schutzpatron gewählt (- warum - ?) von der Polizei von Chicago, von einem brasilianischen Fußballclub in Rio de N.
Persönliche Anmerkung RW:
Judas Thaddäus ist der Patron der Kirche in meiner schlesischen Heimat Niederschwedeldorf, von wo ich als kleines Kind vor der Zeit der Vertreibung noch gute Erinnerung an das große Altarbild von „Simon und Juda“ und das Erzählen vom Patroziniumsfest habe. Deshalb habe ich bei der „Hausaufgabe“ für die KGR-Mitglieder zum Jahresthema 2016, sich mit einem Apostel näher zu beschäftigen, „Judas Thaddäus“ gewählt. So hat diese „Hausaufgabe“ mir eine Brücke gebaut von meiner Kindheit in meine alten Tage.
Renate Walter, 25. September 2016
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