Im Dezember ist es der Apostel Johannes. Die Tradition der Kirche sagt: Er gehörte zum Kreis der zwölf Apostel. Er war der Jünger, den Jesus liebte. Er hat das Johannesevangelium geschrieben, die drei Johannesbriefe und die Geheime Offenbarung, das letzte Buch der Bibel. Kritische Bibelwissenschaftler sagen etwas anderes: Es handelt sich nicht um eine Person. Es sind vier.
Die erste Person: Einer von den Zwölf (Aposteln). Sein Vater heißt Zebedäus. Sein Bruder ist Jakobus der Ältere. Sie sind Fischer am See Genesaret. Dann ruft ihn Jesus. Zusammen mit seinem Bruder und mit Simon Petrus ist er bei wichtigen Ereignissen anwesend. Bei der Verklärung des Herrn. Am Ölberg in der Nacht, als Jesus gefangen genommen wird. Die Söhne des Zebedäus heißen Donnersöhne. Weil sie gerne auf den Tisch hauen.
Die zweite Person: Der Jünger, den Jesus liebte. Das Johannesevangelium erzählt: Er ist immer an der Seite von Jesus, nicht nur beim letzten Abendmahl. Er steht unter dem Kreuz zusammen mit Maria. Jesus ist mit ihm verbunden in Liebe. Deshalb kann er sehen und verstehen, wer Jesus wirklich ist. Früher und klarer als alle anderen. Er ist gleichsam der Prototyp des tiefgläubigen Christen. Immer ganz nah bei Jesus, von ihm geliebt. In der Kunst begegnet uns dieses Motiv: Johannes, der Lieblingsjünger, ruht an der Brust des Herrn.
Die dritte Person: Der Evangelist. Der Verfasser des vierten Evangeliums und der drei Johannesbriefe. Das vierte Evangelium nach Johannes entstand am Ende des 1. Jahrhunderts. Es erzählt die Jesusgeschichte, aber völlig anders als die drei Evangelien davor. Bei Johannes ist Jesus nicht in erster Linie der Messias Israels, vorhergesagt von den Propheten des Alten Testamentes (Matthäus), nicht der Sohn Gottes, der die Mächte des Bösen besiegt (Markus), auch nicht der Heiland der Kranken, der Freund der Zöllner und Sünder (Lukas). Im vierten Evangelium ist Jesus das Licht der Welt, der Gute Hirt, der Weg und die Wahrheit und das Leben. Starke Bilder. Abstrakte Begriffe. Das Johannesevangelium ist eine Meditation über Jesus Christus auf höchstem theologischem Niveau.
Die vierte Person: Der Verfasser der Geheimen Offenbarung. Er lebt am Ende des 1. Jahrhunderts. Christen werden verfolgt. Johannes ist in der Verbannung auf der Insel Patmos im Ägäischen Meer. Er hat Visionen. Er sieht furchtbare Dinge, apokalyptische Bilder. Er schreibt alles auf und sendet es an die Christen in der Verfolgung, nicht um ihnen noch mehr Angst zu machen, sondern um sie zu trösten. Ja, es ist schlimm, was ihr erdulden müsst. Aber am Ende wird alles gut.
Vier Personen – ein Name: Johannes. Er wird dargestellt als Jüngling oder als alter Mann, mit einem Kelch, aus dem eine Schlange schlüpft, mit einem Buch, einer Schreibfeder, einem Adler. Er ist der Schutzpatron der Bildhauer, der Maler, der Buchdrucker, der Schriftsteller, der Beamten, der Notare, der Theologen und der Winzer. Er ist der Patron der Freundschaft. An seinem Fest, dem 27. Dezember, wird der Johanneswein gesegnet und getrunken: Symbol des Lebens und der Gemeinschaft. Zeichen der Liebe.
Bernhard Lackner
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