Am 15. Oktober 2023

leitartikel sw

EVANGELIUM: Lk 22, 32

Neulich habe ich in der Predigt kurz über das 1. Vatikanische Konzil gesprochen und über die vom Konzil verkündete Unfehlbarkeit des Papstes. Wie ist das eigentlich zu verstehen – Unfehlbarkeit? Was sagt die katholische Kirche über den Papst? Wir beginnen in der Bibel bei Simon Petrus. Er hatte unter den Aposteln eine herausragende Stellung.

Er war der Sprecher der Zwölf. Er sagt zu Jesus: Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes. Jesus antwortet: Du bist Petrus, der Fels, und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen und die Mächte der Unterwelt werden sie nicht überwältigen. Ich werde dir die Schlüssel des Himmelreichs geben (Mt 16, 18f). Ich habe für dich gebetet, dass dein Glaube nicht erlischt; stärke deine Brüder (Lk 22, 32). Weide meine Schafe (Joh 21, 17). Petrus war der erste Bischof von Rom. Seine Nachfolger, die Päpste, haben schon bald die führende Stellung unter den Bischöfen, so wie Petrus unter den Aposteln. Im Mittelalter ist der Papst nicht nur geistliches Oberhaupt der Kirche; er hat auch weltliche Macht, genauso wie Könige und Kaiser weltlich und geistliche Herrscher sind. Kirche und Staat sind im Mittelalter nicht getrennt. Im 19. Jahrhundert verliert der Papst den Kirchenstaat und damit seine weltliche Macht. Das 1. Vatikanische Konzil verkündet 1870: Der Papst leitet die ganze Kirche und er lehrt unfehlbar. Unfehlbar? Wie soll das gehen? Jeder Mensch kann sich mal irren und der Papst ist auch nur ein Mensch. Wie ist das also mit der Unfehlbarkeit? Jesus Christus hat seinen Jüngern versprochen: Ihr werdet das Evangelium und seine Wahrheit nie verlieren. Die Kirche bleibt in der Wahrheit. Wer aber verkündet diese Wahrheit heute? Die Nachfolger der Apostel, die Bischöfe mit dem Papst an der Spitze, wenn notwendig auch der Papst allein, zuverlässig. Er spricht unfehlbar, allerdingst nur in Fragen des Glaubens und der Ethik. Das Wetter vorhersagen oder die Lottozahlen, das kann er nicht. Der Papst lehrt unfehlbar, nur wenn er das ausdrücklich sagt, ex cathedra. Das ist seit der 1. Vatikanischen Konzil nur einmal geschehen: 1950 beim Dogma zur Aufnahme Mariens in den Himmel. Wie steht die evangelische Kirche zum Papst? Luther hat das Papsttum scharf kritisiert und sich davon losgesagt, damals im 16. Jahrhundert. Die Zustände in der Kirche waren verheerend. Päpste regierten wie weltliche Fürsten, nicht wie geistliche Führer. Und heute? Papst Franziskus genießt große Sympathie, weit über die katholische Kirche hinaus. Er geht zu den Menschen, zu den Armen, zu den Flüchtlingen. Was er sagt, wird gehört. Wäre es nicht gut, wenn er für die ganze Christenheit sprechen könnte, nicht nur für die katholische Kirche? Wie kommen wir da weiter? Für evangelische und für orthodoxe Christen ist der Papst der Bischof von Rom, nicht der Oberhirte der ganzen Kirche. Und die Unfehlbarkeit? Evangelische und orthodoxe Kirche werden vermutlich zustimmen, wenn wir sagen: Die ganze Kirche wird die Wahrheit des Evangeliums nicht verlieren. Wenn alle Bischöfe sich versammeln zum Konzil, wenn sie gemeinsam sagen, was zum christlichen Glauben gehört und was nicht, dann ist das zuverlässig und verbindlich. Wie wäre es, wenn der Papst erklären würde: Ich werde die Möglichkeit, unfehlbar zu sprechen, nur zusammen mit den Bischöfen in einem Konzil wahrnehmen? Evangelische und orthodoxe Kirche müssten der Unfehlbarkeit des Papstes nicht ausdrücklich zustimmen, würden sie aber auch nicht ausdrücklich ablehnen. Sie würden aber anerkennen, dass der Papst für alle Christen sprechen kann. Das wären wichtige Schritte hin zur Einheit der Kirche. Wir sind auf dem Weg zu dieser Einheit. Das, was uns Christen verschiedener Konfessionen verbindet, ist mehr als das, was uns noch trennt. Uns verbindet der gemeinsame Glaube. Uns verbindet der Auftrag, den Jesus seinen Jüngern gegeben hat: Alle sollen eins sein.

Pfarrer Dr. Bernhard Lackner