Am 05. November 2023

berg sw

EVANGELIUM: Mt 23,1-12

Wir feiern heute drüben in Böfingen das Kirchweihfest. Kirche, das ist das Haus, in dem wir uns versammeln, hier und jetzt. Kirche, das ist die Institution, der Papst, der Bischof, der Pfarrer. Manche nennen das auch die Amtskirche im Unterschied zu der „Kirche von unten“. Kirche, das sind vor allem wir selbst, wir alle, die Gemeinschaft der Glaubenden.

In der Kirche müssen immer wieder Entscheidungen getroffen werden, auch bei uns in unserer Seelsorgeeinheit. Wie feiern wir Gottesdienste? Wann und wo? Wie bereiten wir Kinder auf die Erstkommunion vor und Jugendliche auf die Firmung? Installieren wir auf dem Dach der Kirche oder des Gemeindehauses eine Photovoltaik-Anlage? Wer entscheidet das? Wer hat in der Kirche das Sagen? Im kirchlichen Gesetzbuch steht: Das Sagen in der Kirche hat der Papst für die ganze Kirche, der Bischof für seine Diözese, der Pfarrer für seine Pfarrei. Ist dieses Modell der Leitung nicht überholt? Ist es nicht höchste Zeit, dass auch die Kirche demokratisch regiert wird? Schauen wir auf den Ursprung, auf Jesus Christus. Er hat zwölf Männer in seine engere Nachfolge gerufen, zwölf Apostel, mit dem Apostel Petrus an ihrer Spitze. Ihnen hat er das Evangelium und die Leitung seiner Kirche anvertraut. Die Nachfolger der Apostel sind die Bischöfe mit dem Papst an ihrer Spitze. Helfer der Bischöfe sind die Priester. Dieses apostolische Modell der Kirche wird ergänzt durch die Mitwirkung aller Gläubigen. Im Konzil versammeln sich der Papst, die Bischöfe, Gläubige und Experten. Das Konzil berät und entscheidet wichtige Fragen. In unserer Diözese Rottenburg-Stuttgart gibt es in jeder Kirchengemeinde einen Kirchengemeinderat. Der besteht aus demokratisch gewählten Frauen und Männern und dem Pfarrer. Im Kirchengemeinderat werden alle wichtigen Fragen des Gemeindelebens beraten und mit Mehrheit beschlossen. Auch der Pfarrer hat nur eine Stimme. Ähnlich ist es auf der Ebene der Diözese. Das ist unser Rottenburger Modell. Es könnte Vorbild sein für die ganze Kirche. Wie werden Ämter vergeben? Der Papst wird von den Kardinälen gewählt. Auch der Bischof von Rottenburg wird gewählt. Der Papst erstellt eine Liste mit drei Kandidaten. Aus dieser Liste wählen die Domkapitulare in Rottenburg den Bischof. Dann wird der Ministerpräsident in Stuttgart gefragt, ob er mit dem Gewählten einverstanden ist. Wenn ja wird der Bischof vom Papst ernannt. Und der Pfarrer? Vor seiner Bewerbung auf die mögliche Pfarrstelle muss er mit den Verantwortlichen in der Gemeinde sprechen. Gegenseitiges Kennenlernen. Passen wir zueinander? Dann wir der Pfarrer vom Bischof ernannt. Die Gemeinde hat kein Wahlrecht. Das war nicht immer so. In der alten Kirche wurde der Bischof von einem Ältestenrat vorgeschlagen und vom Volk bestätigt. Wer allen vorsteht, muss von allen gewählt werden. Ämter in der Kirche können auf Zeit vergeben werden. Die Amtszeit eines Dekans bei uns beträgt sieben Jahre. Was sagt Jesus im Evangelium heute? Der Größte von euch soll euer Diener sein. Nur einer ist euer Meister. Ihr alle aber seid Brüder. Damit ein Gemeinwesen funktioniert, müssen Entscheidungen getroffen werden. Damit ein Gemeinwesen funktioniert, muss es Personen geben, die Macht haben und Macht ausüben. Macht haben und ausüben bedeutet aber nicht herrschen, sondern dienen. Die Macht muss dem Wohl aller dienen. Wer ein Amt hat und die Macht, der darf nicht seine eigenen persönlichen Interessen verfolgen. Papst Gregor der Große, er lebte im 6. Jahrhundert, er schreibt in einem Brief an den Bischof von Konstantinopel: „Es freut uns sehr, dass ihr aus der kirchlichen Verwaltung in die Sorge für die Seelen berufen wurdet. In eurem Schreiben berichtet ihr aber, dass ihr euch viel eher nach der Stille gesehnt hattet. Doch damit zeigt ihr gerade, dass ihr mit Grund zum Hirtendienst berufen wurdet. Denn das Leitungsamt ist denen zu verweigern, die danach trachten, und denen anzubieten, die sich davor scheuen.“ Der Größte von euch soll euer Diener sein. Nicht herrschen, sondern dienen. Ob uns das gelingt?

Pfarrer Dr. Bernhard Lackner