Am 12. November 2023

berg sw

EVANGELIUM: Mt 25,31-40

Ich war vor einiger Zeit auf einer Dienstreise, Schwestern und Brüder. Unter anderem bin ich mit einem Kollegen zusammen mit der S-Bahn zum Münchener Flughafen gefahren. Unterwegs stieg eine Frau ein, spielte Akkordeon, und bettelte um Geld. Mein Kollege erzählte mir später, dass er selbst auch Akkordeon spiele. Er sagte: „Was die Frau da gespielt hat – das ist das, was man in der ersten Stunde Unterricht lernt: Immer die drei gleichen Töne.“

Offenbar hatte irgendjemand der Frau das Akkordeon in die Hand gedrückt, ihr drei Grundnoten gezeigt – und sie dann zum Betteln in die Münchener S-Bahnen geschickt. Ich habe keinen Zweifel, dass die Frau in armen Verhältnissen lebte. Keinen Zweifel, dass sie tatsächlich notleidend war. Aber ich bin auch sicher, dass sie nur wenig von dem behalten durfte, was sie erbettelte. Das meiste wird eine Organisation im Hintergrund eingesackt haben – Ausbeuter der Notlage dieser Frau. Moderne Sklaverei. Gibt man der Frau Geld, unterstützt man die organisierte Bettelei. Das Geschäftsmodell lohnt sich – und immer mehr Menschen werden dafür auf die Straße geschickt. Gibt man der Frau kein Geld – was passiert dann wohl mit ihr? Was passiert, wenn sie ihr Tagessoll nicht erfüllt? Ein Dilemma. Wir kennen die organisierte Bettelei auch hier in Ulm: Menschen, die beispielsweise in der Fußgängerzone knien – oft in Gebetshaltung – und um Geld betteln. Diese Form der Bettelei scheint erfolgreich zu sein. Soll man Geld geben, oder nicht? Ich habe mich dagegen entschieden. Da hatte es der Heilige Martin einfacher, könnte man sagen: Er konnte eine ganz konkrete Not lindern. Der Bettler fror, Martin gab ihm ein Stück seines wärmenden Mantels. Dieses Stück Mantel konnte keine Organisation im Hintergrund abgreifen. Es konnte nur für den einen Zweck verwendet werden: Die Kälte lindern. Was also tun? Wie können wir helfen? Wenn wir auf das heutige Evangelium schauen, dann lautet die Antwort: Wir lindern die ganz konkrete Not, so wie der Heilige Martin – mit Sachspenden und mit Zeit: Der Hungrige bekommt etwas zu essen; der Durstige bekommt etwas zu trinken; der Nackte bekommt Kleidung; der Obdachlose wird aufgenommen; der Kranke und der Gefangene werden besucht. Das können Sachspenden für Obdachlose sein – an die Caritas oder das Deutsche Rote Kreuz. Schlafsäcke. Warme Kleidung, warme Schuhe. Wir können unsere Zeit spenden bei einer Mitfahrt mit dem Kältebus des Deutschen Roten Kreuzes: Der Kältebus in Ulm versorgt Obdachlose nachts mit einer heißen Suppe und bei Bedarf einem Schlafsack. Natürlich sind auch Geldspenden hilfreich. Dann aber an Personen, deren persönliches Schicksal Sie kennen. Oder an Organisationen, die mit den Spenden professionell Bedürftige versorgen. Die Caritas beispielsweise. Oder die Aktion Martinusmantel unserer Diözese – die Kollekte heute ist dafür bestimmt. Die Aktion Martinusmantel unterstützt Langzeitarbeitslose und Jugendliche, die keine Ausbildung haben. Die oft keine Chance haben eine Arbeit zu finden. Die Aktion Martinusmantel hilft ihnen einen Platz in der Arbeitswelt finden – damit sie für sich selbst sorgen können. Der Herr hat auch uns gesandt, damit wir den Armen eine frohe Botschaft bringen. So haben wir heute in der Lesung gehört. Was wir den Geringsten tun, das tun wir dem Herrn. Das wird uns im Evangelium verkündet. Die Hauptsache ist, wir verschließen Augen und Ohren nicht vor der Not unserer Mitmenschen. Der Heilige Martin hat es uns vorgemacht. Wenn allerdings eintöniges Akkordeonspiel Ihr Ohr erreicht, wäre ich vorsichtig.

Diakon Markus Lubert