Am 29. September 2024

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„Ich sitze ohne einen Cent da. Mein Kühlschrank ist leer, und ich wollte deshalb bei Ihnen nachfragen, ob die Möglichkeit besteht, von Ihnen eine Spende zu bekommen.“ Diese Anfrage erreichte unsere Kirchengemeinde. Wie gehen wir als Kirchengemeinde mit solchen Anfragen um? Grundsätzlich haben wir für die Unterstützung von Bedürftigen unsere Caritaskasse.

Aber wer ist bedürftig? Bei manchen Gemeindemitgliedern kennen wir die persönliche Situation – die persönlichen Schicksale. Da fällt es dann leicht eine Unterstützung aus der Caritaskasse zu geben. Wir wissen, dass die Hilfe gut ankommt. Dass Not tatsächlich gelindert wird. Wie gehen wir aber mit Anfragen von Personen um, die wir nicht persönlich kennen? Wie beispielsweise bei der Bitte um die Spende für das Füllen des Kühlschranks? In diesen Fällen arbeiten wir mit der Caritas in Ulm zusammen. Dort sitzen Profis. Die wissen, worauf sie achten müssen. Die können im persönlichen Gespräch herausfinden, ob tatsächlich eine Notsituation vorliegt. Die können sich auch Kontoauszüge vorlegen lassen. Wir hier in der Gemeinde können das zeitlich und fachlich nicht leisten. Wir haben der Caritas in Ulm verschiedene Gutscheine gegeben: Für Lebensmittel, für Schuhe, für Drogerie- und Schulartikel. Bezahlt haben wir die Gutscheine aus der Caritaskasse. Die Caritas gibt sie an Böfingerinnen und Böfinger aus, bei denen eine schnelle und unkomplizierte Hilfe sinnvoll erscheint. Aber vor allem kann sich die Caritas die Fälle genauer ansehen und schauen, ob und wie nachhaltig geholfen werden kann. Die Caritas leistet mit uns zusammen Dienst am Nächsten. Die heutigen Schriftlesungen sind eine deutliche Aufforderung an uns alle, Schwestern und Brüder, zu solchen Diensten am Nächsten. Schauen wir zuerst auf die Lesung aus dem Jakobusbrief. Da hören wir drastische Worte: „Ihr Reichen, weint nur und klagt über das Elend, das über euch kommen wird. Euer Reichtum verfault…“ Da könnte man meinen, dass das aus dem Parteiprogramm einer kommunistischen Partei stammt. Es geht hier allerdings nicht darum, Reichtum zu verteufeln. Aber: Finanzieller Reichtum soll nicht unser Maßstab sein. Sie kennen das aus der Werbung: Mein Haus, mein Auto, mein Boot! An solchen Dingen sollen wir uns nicht messen. Denn am Ende unserer irdischen Tage werden Geld, Schmuck und Häuser wertlos sein. Was aber unser Maßstab sein soll ist: Das Gesetz der Liebe. Daran sollen wir unser Leben und unser Handeln ausrichten. In die gleiche Richtung weist auch das heutige Evangelium – ebenfalls mit drastischen Worten. „Wenn dir deine Hand Ärgernis gibt, dann hau sie ab; es ist besser für dich, verstümmelt in das Leben zu gelangen, als mit zwei Händen in die Hölle zu kommen.“ Da spricht nicht mehr Jesus, das Lamm, sondern Jesus, der Löwe. Diesen Jesus hören wir oft, wenn er uns zur Umkehr mahnt. „Ärgernis“ – das ist hier gleichbedeutend mit dem Abfall vom Glauben. Das Abhauen der Hand ist natürlich nicht wörtlich, sondern bildlich zu verstehen. Wir sollen uns von dem trennen, was uns vom Glauben, von Gott trennen könnte. Bei Matthäus und Lukas heißt es: „Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon“. Darum geht es hier also: Wir sollen uns nicht zur Abkehr von Gott verführen lassen – zum Beispiel weil wir unser Leben darauf ausrichten, möglichst viel zu besitzen. Dann wäre es besser, wenn wir uns vom Reichtum trennen würden – und diese Hand abhauen. Wenn wir uns in unserer Gesellschaft umschauen, dann stimmt es ja auch: Den meisten in unserer Gesellschaft geht es gut – und bei Vielen spielt Gott keine Rolle mehr. Wozu brauchen sie noch Gott, wenn sie in Wohlstand leben? Und trotzdem herrscht eine große Unzufriedenheit in weiten Teilen der Bevölkerung. Bekommt ein Arbeitsloser mehr Geld als ich, obwohl ich arbeite? Nimmt mir ein Flüchtling meinen Zahnarzttermin weg? „Der Vergleich ist das Ende des Glücks und der Anfang der Unzufriedenheit.“, so hat das der dänische Philosoph Søren Kierkegaard einmal ausgedrückt. Man könnte die Aussage ergänzen: „Und die Unzufriedenheit ist der Anfang des Unfriedens.“ „Frieden beginnt bei mir“ – so hat die Caritas deswegen den Caritas-Sonntag überschrieben. Lasse ich mich von der allgemeinen Unzufriedenheit ergreifen? Oder richte ich mein Leben gerade nicht am Vergleich aus – also am Ärgernis, wie es das Evangelium ausdrücken würde. Caritas – das Wort ist Lateinisch und heißt: Hochschätzung, Verehrung, Liebe. Daran sollen wir unser Leben ausrichten: Unsere Nächsten sollen wir hochschätzen, weil sie Geschöpfe Gottes sind. Und das Reich Gottes sollen wir für sie sichtbar werden lassen. Frieden beginnt bei mir!


Diakon Markus Lubert